Das Teufelsschiff auf dem Bodensee

Zwei Schiffe versenkt, drei weitere beschädigt. Das ist nicht etwa die Bilanz eines schweren Kriegsschiffes, sondern die eines unbewaffneten Raddampfers, dessen eigentliche Aufgabe darin bestand, Menschen und Waren über den Bodensee zu schippern. Doch das vermeintlich harmlose Schiff namens Stadt Zürich erwies sich in seiner knapp 60-jährigen Geschichte als unerwartet gefährlich – oder vom Pech verfolgt – und erhielt den nicht freundlich gemeinten Spitznamen „Teufelsschiff“.

Teufelsschiff

Auf dem Wasser eine Waffe

Die Geschichte des Teufelsschiffes auf dem Bodensee begann im Jahr 1855 mit der Indienststellung der Stadt Zürich, eines 49,5 Meter langen und 9,8 Meter breiten Glattdeckdampfers der Schweizerischen Nordostbahn, der für 177.000 Franken gebaut worden war. Das nur auf dem Bodensee eingesetzte Schiff konnte bis zu 300 Passagiere aufnehmen, sofern diese nicht zu abergläubisch waren. Viele Reisende mieden das Teufelsschiff spätestens ab den 1860er Jahren. Ganz besonders in Bayern war der Dampfer ausgesprochen verhasst.

Das Teufelsschiff gegen Bayern

Teufelsschiff auf dem Bodensee: Stadt Zürich

Stadt Zürich

Die erste bekannte Kollision der Stadt Zürich mit einem anderen Schiff ereignete sich am 10. März 1860 vor Friedrichshafen, als der Schweizer Raddampfer den rechten Radkasten der Königin von Württemberg rammte. Beide Schiffe wurden dabei schwer beschädigt, Menschen kamen jedoch nicht zu Schaden. Bei so viel Glück im Unglück blieb es in der Folgezeit nicht.

Am 11. März 1861, also fast auf den Tag genau ein Jahr nach der Kollision mit dem Schiff aus Württemberg, krachte die Stadt Zürich in den Bayerischen Raddampfer Ludwig. Bei sehr schlechten Sichtverhältnissen aufgrund eines Schneesturms hatten beide Schiffe einander nicht wahrgenommen. An Bord der Stadt Zürich spürte man zwar die Folgen der Kollision, die den Bug beschädigte, es bekam aber niemand mit, was genau passiert war. Unterdessen sank die Ludwig und riss mehrere Menschen und geladenes Vieh mit in den Tod. Je nach Quelle kamen entweder 11 Menschen und 13 Tiere oder 13 Menschen und 11 Tiere in den kalten Fluten des Bodensees ums Leben. Als Folge der Katastrophe wurde eine Verbesserung der Signalwarnungen für alle Schiffe auf dem Bodensee beschlossen.

Als Ersatz für die gesunkene Ludwig kaufte die Bayerische Schiffsverwaltung den Schweizer Raddampfer Jura, der bis dahin auf dem Neuenburgersee Dienst getan hatte, und verfrachtete ihn zum Bodensee. Aber auch die Jura war nicht sicher vor dem Teufelsschiff. Am 12. Februar 1864 stießen das Ersatzschiff der Ludwig und jenes Schiff, das die Ludwig drei Jahre zuvor ungewollt versenkt hatte, bei Nebel zusammen. Dabei hatten beide Schiffe noch versucht, einander auszuweichen, jene gleichzeitige Kursänderung führte jedoch letztlich zur Kollision. Drei Besatzungsmitglieder der Jura starben: Der Nebelausgucker wurde bei der Kollision erdrückt, ein Serviermädchen und der Maschinist konnten sich nicht mehr rechtzeitig aufs Deck retten und ertranken beim Untergang. Ein Schiffsjunge wurde schwer verletzt.

Der nächste Zwischenfall ereignete sich nur wenige Monate später. Die Stadt Zürich schlitzte einen Radkasten der Stadt Lindau auf, es blieb beim Sachschaden. Diese vierte Katastrophe innerhalb weniger Jahre veranlasste einen bayerischen Korrespondenten zu der berühmt gewordenen Aussage, man solle die Stadt Zürich doch nach Dänemark verkaufen, da der Schweizer Dampfer bereits mehr deutsche Schiffe versenkt hätte als die gesamte dänische Kriegsflotte im Deutsch-Dänischen Krieg.

Der letzte dokumentierte Akt im Drama des Teufelsschiffes spielte sich 1909 ab. Mittlerweile hieß das Schweizer Schiff nach einem Umbau nur noch Zürich und rammte den Schraubendampfer Buchhorn. Dabei entstand nur leichter Sachschaden.

Das Ende des Teufelsschiffes und das Weiterleben der Jura

Teufelsschiff: Wrack tauchenIm Jahr 1917 wurde die Zürich nach genau 62 Jahren und mindestens 14 unglücklichen Unfallopfern außer Dienst gestellt. 12 Monate später folgte die Verschrottung im Hafen Romanshorn. Einige Teile des so genannten Teufelsschiffes wurden für den Bau des Raddampfers Pilatus verwendet, der seinerseits kein großes Aufsehen erregte.

Das Wrack der Jura wurde 1976 von Hans Gerber wiederentdeckt, nachdem es zuvor 1956 erstmals bei der Suche nach einem im Zweiten Weltkrieg abgestürzten Flugzeug zufällig aufgespürt worden war, und entwickelte sich bald zu einem beliebten Ziel für Taucher.

Durch eine Sonderausstellung mit dem Titel „Die Titanic vom Bodensee“ erhielt die Jura im Jahr 2012 neue Aufmerksamkeit. Unter anderem konnten eine fast 50 Kilogramm schwere Schiffsglocke, mehrere Flaschen, ein Manometer und der Schriftzug der Jura geborgen werden. Pläne, das gesamte Wrack zu heben, wurden vorerst aufgegeben. Es liegt in ca. 39 Metern Tiefe und steht seit 2003 als Unterwasser-Industriedenkmal unter Schutz.

Literatur & Links zum Thema

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