Wer hängte eigentlich das Damoklesschwert auf?

Noch befindest du dich in einer komfortablen Situation. Ein schönes Haus, ein großer Wagen, ein dickes Bankkonto. Aber über dir hängt es bereits viel zu tief und sehr scharf – das Damoklesschwert. Es wartet nur darauf, dich zu durchbohren. Jeden Moment könnte die Polizei deine Villa stürmen und dich wegen Steuerbetrugs festnehmen. Oder die Verwandschaft bringt dich für das Erbe um die Ecke. Wie kam das Damoklesschwert bloß über deinen Kopf?

Damoklesschwert

Männer, die auf Schwerter starren

Von dem sagenhaften Damoklesschwert haben die meisten Menschen bereits gehört. Die Spur dieses Schwertes führt uns ins 4. Jahrhundert vor Christus. Ein Höfling namens Damokles war unzufrieden mit seinem Leben und beneidete seinen König um dessen Macht und Reichtum. Dieser König beschloss daher, Damokles eine Lektion zu erteilen. Er lud den jungen Mann zu einem Festmahl ein und bot ihm an, an der königlichen Tafel zu sitzen. Zuvor ließ der Herrscher jedoch über Damokles’ Platz ein großes Schwert aufhängen, das nur von einem Pferdehaar gehalten wurde. Als Damokles das Schwert über seinem Kopf bemerkte, konnte er den Luxus nicht genießen und bat darum, den Platz verlassen zu dürfen. Die Lehre daraus: An der Macht zu sein birgt große Gefahren. Jeder Moment des Luxus könnte dein letzter sein. Doch wer war dieser König, der das Schwert über Damokles baumeln ließ und dessen Name nicht berühmt wurde?

Damokles und Dionysios

Das Schwert des Damokles

Das Schwert des Damokles. Gemälde von Richard Westall

Die Existenz von Damokles gilt keineswegs als belegt, wohingegen der König in dieser berühmten Metapher eine historische Persönlichkeit der griechischen Antike ist und Dionysios hieß – die Frage bleibt nur, ob Dionysios 1.0 oder Dionysios 2.0. Bekannt wurde das Damokles-Gleichnis vor allem durch Cicero, der dabei Dionysios I. als den König benannte, der das Schwert über Damokles‘ Kopf anbrachte. Eine ältere Überlieferung des weniger populären Timaios von Tauromenion behauptet allerdings, Dionysios II., der Sohn von Dionysios I., wäre der König mit dem Schwert gewesen.

Beide Herrscher haben Argumente auf ihrer Seite. Für den einen spricht seine Vorstellung von Macht, für den anderen sein trauriges Schicksal.

Der erste Dionysios

Dionysios I. herrschte von 405 v. Chr. bis zu seinem Tod im Jahr 367 v. Chr. als Tyrann über Syrakus, der größten und mächtigsten Stadt Siziliens. Der Begriff „Tyrann“ war damals noch nicht so negativ besetzt wie heute, sondern beschrieb lediglich eine Alleinherrschaft. Dionysios I. gelangte durch seine Fähigkeit, sowohl das Volk als auch die Aristokratie auf seine Seite zu ziehen, an die Macht. Syrakus befand sich zu jener Zeit in ständigen Konflikten mit den Karthagern. Nach einer militärischen Niederlage im Jahr 406 v. Chr. stachelte Dionysios die Menschen gegen die Elite auf, die angeblich unpatriotisch sei und so die Niederlage gegen den Erzfeind aus Karthago verschuldet hat. Gemeinsamkeiten zwischen dem Jahr 406 v. Chr. und der Gegenwart sind übrigens rein zufällig und von der Geschichtsschreibung nicht beabsichtigt. Dionysios I. stänkerte aber nicht gegen alle Vertreter des Establishments. Einige machte er kurzerhand zu seinen Verbündeten und schaffte es so bis an die Spitze. Clever wie er war, fingierte er zwischenzeitlich noch ein Attentat auf sein Leben, um sich als angeblich legitime Reaktion darauf eine kleine Privatarmee zu seinem „Schutz“ aufzubauen.

Dionysios‘ Herrschaft war geprägt von seinem starken Expansionsdrang. Besonders gerne legte er sich mit dem alten Lieblingsfeind Karthago an. Dafür ignorierte er bereitwillig von ihm selbst geschlossene Friedensverträge, was seine eigenen Soldaten schließlich zu einer Meuterei veranlasste. Es schien, als wäre Dionysios dem Untergang geweiht, doch er kämpfte mit aller Macht um eben selbige. Zur Niederringung seiner eigenen Leute warb er Söldner an, die zuvor auf Seiten Karthagos (!) gekämpft hatten. Darüber hinaus konnte er sich die Unterstützung Spartas sichern, was – das wissen wir aus Film und Fernsehen – wirklich nicht schaden kann, wenn es einen Krieg zu führen gibt.

Dionysios blieb Zeit seines Lebens der Tyrann von Syrakus und führte allein viermal Krieg gegen Karthago. Er bewies mehr als einmal, dass er zu seinem Machterhalt bereit war, auf der Rasierklinge zu tanzen, zweifelhafte Bündnisse einzugehen und schmutzige Tricks anzuwenden. Kein Wunder, dass Cicero ihm zugetraut hat, der Herrscher gewesen zu sein, der Damokles die Lektion von der Gefährlichkeit der Macht erteilte.

Der zweite Dionysios

TyrannisNach dem Tod von Dionysios I. übernahm sein ältester Sohn Dionysios II. die Herrschaft über Syrakus, ohne wirklich darauf vorbereitet gewesen zu sein. Sein Vater hatte ihn nie an den Staatsgeschäften teilhaben lassen und ihm auch sonst ziemlich wenig Vertrauen entgegengebracht. Wie viel anders wäre die Geschichte der Menschheit wohl ohne Vater-Sohn-Konflikte verlaufen? Der Politiker Dion versuchte Einfluss auf den unerfahrenen Tyrannen zu nehmen und brachte ihn dazu, niemand geringeren als den Philosophen Platon zu einem seiner Berater zu machen. Geheimwaffe Philosophie! Funktioniert hat es freilich nicht. Als Dion versuchte, Verhandlungen mit Karthago zu führen, wurde er von Dionysios II. verbannt und zettelte daraufhin eine Rebellion gegen den Tyrannen an. Dionysios II. musste fliehen.

Die Unruhen und das Machtvakuum, welche in Syrakus nach seiner Entmachtung entstanden, nutzte Dionysios II., um sich die Herrschaft zurückzuholen, jedoch nicht für lange. Dionysios‘ Feinde töteten seine Familie und schickten ihn endgültig ins Exil. Wann er starb, ist unbekannt, im Jahr 337 v. Chr. soll er noch gelebt haben.

Dionysios II. wird der Metapher vom Damoklesschwert sicherlich etwas mehr gerecht als sein Vater. Dieser zweite Dionysios erbte eine Machtposition, die ihm kaum jemand zutraute und die ihm viele streitig machen wollten, was ihnen letztlich gelang. Über ihm hing immer ein Schwert, das nur manchmal als Philosophie verkleidet war.

Literatur

  • Berve, Helmut: Die Tyrannis bei den Griechen, 1967

Anmerkung

Dieser Beitrag wurde bearbeitet. Er erschien ursprünglich am 16. Dezember 2016.

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