ZDF-History: Kaiserkinder (und Kritik)

2018 feierte Deutschland ein interessantes Jubiläum: 100 Jahre kaiserfrei. Seit der Abdankung des letzten deutschen Kaisers im Jahr 1918 ist Deutschland keine Monarchie mehr und wird wohl nie wieder eine werden. Dass der letzte Kaiser Wilhelm II. hieß, lernen wir für gewöhnlich in der Schule. Ein Thema wird dabei allerdings konsequent ausgespart: Die Geschichte derer, die Wilhelm II. eigentlich beerben sollten. Der Mann hatte immerhin sieben Kinder.

Kaiserzeit

Seltene Stimmen der Geschichte

Eine Tochter und sechs Söhne bekam Kaiser Wilhelm II. mit seiner ersten Frau Auguste Viktoria. In Anbetracht der Tatsache, dass viele Monarchen in schwere Krisen gestürzt wurden und diverse unschuldige Frauen verschlissen bei dem Versuch, wenigstens einen männlichen Thronfolger zu zeugen, sind sechs davon schon sehr bemerkenswert. Die Monarchie der Hohenzollern in Deutschland schien gesichert. Nur kommt es eben erstens anders und zweitens als man denkt. Wer die sieben Kinder von Kaiser Wilhelm II. waren, wie sie aufwuchsen und was aus ihnen wurde, oder nicht wurde, wird in der deutschen Geschichte eher peripher beleuchtet und ist mehr ein Experten- als ein Schulthema. Mit „ZDF-History: Kaiserkinder“ entstand 2015 eine der wenigen TV-Dokumentationen über die fast vergessenen deutschen Thronerben.

ZDF-History: Kaiserkinder

Logo ZDF HistoryDie Reihe ZDF-History wird seit dem Jahr 2000 produziert und hat sich schon vieler Themen angenommen, von Hitlers Familie bis zu Hitlers Frauen. Nein ernsthaft, die Reihe beleuchtet auch viele andere Momente der Geschichte, wie etwa verheerende Katastrophen, große Skandale und wegweisende Erfindungen. Auf ZDFinfo und Phoenix können Zuschauer regelmäßig in den Genuss der älteren Ausgaben von ZDF-History kommen.

Die Folge „ZDF-History: Kaiserkinder“ wurde erstmals am 6. Dezember 2015 ausgestrahlt. So angenehm überrascht ich zunächst über das Thema war, als ich eines Nachts auf die 45-Minuten-Doku gestoßen bin, so ernüchtert war ich am Ende. Okay, ernüchtert ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck, doch es zeigt sich wieder einmal, dass ZDF-History vor allem Mainstream-History ist und kaum versucht, in die Tiefe zu gehen. Vieles wird einfach ausgespart, damit die Zuschauer ein hübsches, gut verdauliches 45-Minuten-Päkchen erhalten. Das Ergebnis präsentiert sich dann zwar als nettes Sammelsurium an Originalaufnahmen, bietet aber weniger konkrete Informationen als ein handelsüblicher Wikipedia-Artikel.

ZDF-History: Kaiserkinder. Eine Kritik

Zu Beginn der Doku erfahren wir, in welchem militärischen Umfeld die sechs Kaisersöhne aufgewachsen sind. Wie die einzige Tochter erzogen wurde, wird nicht erwähnt. Auch auf das Verhältnis der Kaisersöhne untereinander geht „ZDF-History: Kaiserkinder“ überhaupt nicht ein. Weil es die Quellenlage nicht hergibt? Das bleibt offen. Nicht einmal der Altersunterschied wird genau definiert, so das teilweise der Eindruck entsteht, es habe sich um Sechslinge gehandelt, die immer zur gleichen Zeit am selben Ort waren. Nach einer Weile fokussiert sich die Doku ganz klar auf zwei Söhne: den Thronfolger Friedrich Wilhelm und den vierten Sohn August Wilhelm (Spitzname Auwi), der sich zu einem glühenden Verehrer des Nationalsozialismus‘ entwickelte.

Prinz Joachim von Preußen, jüngster Sohn von Kaiser Wilhelm II.

Prinz Joachim in Jugendjahren

Die Kaisersöhne Eitel Friedrich, Adalbert und Oskar werden kaum einbezogen. Der jüngste Brüder, Joachim, wird sogar in wenigen Sätzen abgehandelt: Er hat existiert, er war verheiratet, er hat sich umgebracht. Aha. Mit den Umständen seines Selbstmordes hält sich die Doku nicht groß auf, obwohl das Thema für Zuschauer interessant wäre. Wer dazu etwas erfahren will, muss sich andere Quellen suchen.

Viel Augenmerk legt die Doku auf die Beziehung der entthronten Kaiserfamilie zum Nationalsozialismus und auf ihre Rolle bei Hitlers Aufstieg. Dabei werden sowohl Friedrich Wilhelms Bestrebungen, durch den Fanatiker aus Österreich die Monarchie in Deutschland wieder herzustellen, als auch August Wilhelms fast schon obsessive Verehrung für Adolf H. thematisiert, während die Beziehung von Eitel Friedrich zum Nationalsozialismus nicht zur Sprache kommt. Der zweitälteste Kaisersohn mit dem etwas ungewöhnlichen Namen war ein Gegner Hitlers, so dass ihm nach seinem Tod eine standesgemäße Beisetzung verwehrt wurde. Das hätte meiner Meinung nach unbedingt aufgegriffen werden müssen. Wenigstens merkt die Doku an, dass sich der fünfte Sohn Oskar gegen die Zerschlagung des Johanniterordens durch die Nationalsozialisten stemmte.

Wir können von einer Fernsehdokumentation natürlich nicht erwarten, dass sie jedes Detail intensiv beleuchtet, aber gewisse Dinge ganz wegzulassen oder so oberflächlich abzuhandeln, als habe man es eilig, zum vermeintlich interessanteren Punkt mit der besseren Quellenlage zu kommen, erscheint mir nicht optimal. Immerhin ruft „ZDF-History: Kaiserkinder“ in Erinnerung, dass der letzte deutsche Kaiser mehr als ein halbes Dutzend Kinder hatte, die nach dem Ende der Monarchie ihren Weg finden mussten und dabei überwiegend stolperten oder unglücklich fielen.