Der Beruf des Hochzeitsfotografen war sicherlich mal glanzvoller. Heute müssen sich professionelle Fotografen der preisgünstigen Konkurrenz durch motivierte Amateure erwehren, die von der ausgereiften Technik moderner Kameras profitieren. Ich weiß das, denn ich bin so ein Amateur, wenngleich ich noch nie einem Hochzeitsfotografen einen Job geklaut habe. Es sind aber nicht nur die Amateure mit Technik, es ist teilweise die Technik ganz alleine, die Profis ein wenig an den Rand drängt.
Der neueste Clou auf Hochzeiten sowie anderen Feierlichkeiten wie Abi-Bälle oder Geburtstagspartys ist die mietbare Fotobox. Dabei handelt es sich um einen Apparat, der irgendwo im Saal oder draußen aufgestellt wird, und ein Kabel mit einem Auslöser besitzt. An dieser Fotobox können sich die Gäste hemmungslos selbst fotografieren, alleine, zu zweit oder in größeren Gruppen. Alle Aufnahmen werden gespeichert. Um das Ganze so richtig reizvoll zu machen, gehören zur Fotobox eine große Auswahl an Accessoires, von Perücken über Hüte und Masken bis hin zu beschrifteten Schildern, die in die Kamera gehalten werden können.
Der ganz normale Fotowahnsinn
Die Idee, dass die Gäste selber Fotos von der Hochzeit zum Erinnerungsalbum beisteuern, ist natürlich nicht neu. Schon länger gibt es den Brauch, billige Einwegkameras zu verteilen, mit denen sich die Gäste dann den ganzen Tag und Abend gegenseitig ablichten können. Die Qualität der Bilder ist nicht überragend und so manche Kamera taucht nie wieder auf oder erweist sich als zu beschädigt, um die Aufnahmen entwickeln zu können, aber es entstehen authentische Eindrücke. Authentisch im Sinne von „PARTY!!!“, „Gott, sind wir voll!“ und „Das haben die jetzt davon!“ Laut Gerüchten, die ich nicht verifizieren kann und gar nicht können will, zieht sich der eine oder andere Gast mit so einer Kamera gerne in den WC-Bereich zurück, um … explizite Überraschungsaufnahmen anzufertigen.
Die Fotobox ist teurer als ein Haufen Wegwerfkameras, aber man braucht nur die eine, sie kann nicht irgendwo im Gebüsch oder in der Hochzeitstorte landen, nicht mitgenommen werden, jeder kann sie freiwillig benutzen, wird also nicht gegen seinen Willen abgelichtet, und sie entspricht dem Geist der Generation Selfie. Jeder von uns kennt diesen Geist gut, er hat verblüffende Ähnlichkeit mit dem Snapchat-Logo. Sich selbst möglichst lustig/originell zu fotografieren ist in oder will zumindest partout nicht out werden. Statt sich wie bei Snapchat, Instagram und Co. hinterher selbst mit komischem Gesichtsschmuck zu versehen oder Text ins Bild zu schreiben, erledigt man das schon während der Aufnahme mit Hilfe von Requisiten. Das Bild ist sofort auf dem Monitor der Fotobox zu sehen, zum allgemeinen Amüsement. Je weiter der Abend voranschreitet und höher der Alkoholspiegel steigt, desto spaßiger wird das Ganze – so vermute ich mal. Da ich kein Alkohol trinke, werde ich nie lustiger als ich am Anfang einer Feier war. Ich verfüge über kein Steigerungspotential.
Eine Fotobox kann einen Fotografen, der die ganze Zeit mit der Kamera im Anschlag herumläuft, natürlich nicht gleichwertig ersetzen, zumindest nicht, wenn das Brautpaar auch Aufnahmen vom Essen, Tanzen und den grauenvollen, grauenvollen Spielen haben möchte. Würde man allerdings eine Fotobox mieten, noch einen Haufen Einwegkameras zur Verfügung stellen und einen Gast, der eine gute Kamera besitzt, gerne fotografiert und sowieso an der Feier teilnimmt, bitten, hier und da Aufnahmen zu machen, wäre das ganze Spektrum abgedeckt. Ob und wie viel ein Brautpaar dadurch letztlich spart, weiß ich freilich nicht.
Wäre ich Hochzeitsfotografin würde ich mir, sofern ich die Möglichkeit dazu hätte, so eine Fotobox anschaffen, um sie zum Verleih anzubieten. Dann wäre sie keine Konkurrenz, sondern eine Unterstützung, mit der ich punkten könnte. Keine Angst vor der Generation Selfie!