Warum es am Hundeäquator schweinekalt ist

In einer deutschen Wohngegend kommt es schon mal vor, dass ein Hausbesitzer eine Grenze auf seinem Grundstück zieht und verkündet, dass bis weiter als genau hier Nachbars Pudel keinesfalls kommen darf, sonst gibts Stunk. Was in Deutschland eindeutig nach Spießbürgertum klingt, wird in Grönland mit dem Hundeäquator traditionell etwas ernster genommen.

Eisberg Grönland

Brrrrrr

Geologisch gehört Grönland zu Nordamerika, politisch als autonomer Teil Dänemarks eher zu Europa und so wirklich interessiert sich der gesamte Rest der Welt nicht für die größte Insel dieses Planeten, auf der so wenige Menschen leben. Wer sich aber mit Grönland beschäftigt, besonders mit der Kultur und der Landschaft, stößt auf interessante, ungewöhnliche Gegebenheiten, die einzigartig auf der Welt sind. Dazu zählt der Hundeäquator.

Eine unsichtbare Linie

In Grönland herrscht polares und subpolares Klima vor. In einigen Regionen überschreitet die Temperatur selbst im Sommer nur selten die 0 ° Celsius. Das ist ziemlich ungemütlich. Würden dort mehr Menschen leben, gäbe es bestimmt schon eine eigene Social-Media-Plattform, auf der sich die Grönländer 365 Tage im Jahr über das Wetter beschweren könnten. Die hieße dann Zitter und das Erkennungsmerkmal wäre ein Eisvogel.

Hundeäquator: Schlittenhunde

Die Inuit, die ursprünglichen Bewohner Grönlands, konnten in dieser menschenfeindlichen Umgebung nur mit der Hilfe von Schlittenhunden überleben. Das hat sich bis heute nicht signifikant verändert. Die wichtigsten Anforderungen an diese Schlittenhunde sind Ausdauer und Kälteresistenz. Damit auf Grönland dort, wo es am Kältesten ist, immer ausreichend Hunde mit diesen Eigenschaften zur Verfügung stehen, dürfen sie sich auf keinen Fall mit anderen, weniger robusten Hunderassen aus den etwas wärmeren Regionen vermischen. Daraus ergibt sich eine unsichtbare Linie, die Schlittenhunderassen von Haushunderassen trennen soll.

Der traditionelle Hundeäquator der Inuit entspricht etwa der ehemaligen Gemeindegrenze zwischen Sisimiut, der zweitgrößten Stadt Grönlands, und Maniitsoq, einer Siedlung, die ins Deutsche übersetzt „unebener Ort“ heißt. Da weiß man, was man kriegt. Nördlich des Hundeäquators werden ausschließlich Schlittenhunde gehalten, südlich andere Hunderassen. Entscheidend sind dabei nicht nur die biologischen Eigenschaften der Hunde. Schlittenhunde gelten nicht als Haus- sondern als Arbeitstiere, zu denen die Halter keine emotionale Bindung aufbauen. Schlittenhunde bleiben, wenn ihre Besitzer sie gerade nicht brauchen, sich selbst überlassen. Nach ihrem Tod werden sie häufig gegessen und ihr Fell weiterverwendet. Die Haushunde auf der Südseite besitzen einen anderen Stellenwert. Sie sind Teil der Familien, wie wir es von überall auf der Welt kennen.

Da südlich des Hundeäquators Schafzucht möglich ist, dient die Trennlinie außerdem dazu, die Schafe vor nicht-domestizierten Schlittenhunden zu schützen.

Im Westen nichts Neues

In der Westhälfte Grönlands wird am Hundeäquator festgehalten, da Schlittenhunde weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Moderne Schneemobile neigen zwar nicht dazu, sich unerlaubt mit anderen Maschinen zu verpaaren, dafür sind sie störungsanfälliger als Schlittenhunde. Außerdem lässt sich für Hunde tief in der Schneelandschaft von Grönland einfacher Nahrung, wie etwa Robbenfleisch, auftreiben, als das dort eine Tankstelle zu finden ist. Im Osten Grönlands werden dagegen überall sowohl Schlitten- als auch Haushunde gehalten, ohne Rücksicht auf die unsichtbare Trennlinie. Wuff!

Anmerkung
Dieser Beitrag wurde bearbeitet. Er erschien ursprünglich am 2. April 2016