Schon mal von „Spaß mit Flaggen“ gehört? Das ist ein fiktiver Youtube-Kanal in der beliebten Comedyserie „The Big Bang Theory“, der Zuschauer nicht überraschend schon zu realen Projekten animiert hat. Ich will mich an dieser Stelle aber nicht mit der zweifellos interessanten Flaggenthematik befassen. Meinen Spaß habe ich mit Wappen. Daher nun der Auftakt zur neuen Blogserie: „Spaß mit Wappen“.
Es gibt Staatswappen, es gibt (Bundes-)Länderwappen, es gibt Regionswappen, es gibt Stadtwappen, es gibt Kirchenwappen, es gibt Studentenwappen und es gibt Familienwappen. Es gibt so viele Wappen, dass Flaggen dagegen beinahe eine kuriose Rarität sind. Woher kommen all diese Wappen? Die Nutzung von Wappen, wie wir sie heute kennen, geht auf das Rittertum im Mittelalter zurück. Im 12. Jahrhundert waren die Ritterrüstungen vor allem durch das Aufkommen des geschlossenen Topfhelms zu so undurchdringlichen Ganzkörperpanzern geworden, dass man Freund und Feind gar nicht mehr auseinanderhalten konnte. Daher wurden an den Helmen und Schildern Wappen angebracht, damit jeder wusste, wer zu wem gehört und wer wen nicht leiden kann. Auf so genannten Wappenrollen aus Pergament wurden die Wappen dokumentiert, was letztlich dazu führte, dass jedes Wappen einzigartig blieb – wenngleich es oft ähnliche Wappen gibt, darf bis heute keines exakt wie ein anderes aussehen.
In den folgenden Jahrhunderten setzte sich das Wappen als ein wichtiges Kennzeichen durch, das z.B. Staaten, Regionen, kirchliche Gemeinden, Zünfte oder Städte repräsentiert. Bei der Berichterstattung zu Landtagswahlen sehen wir immer wieder, wie praktisch Wappen noch heute als repräsentative Symbole sind, selbst wenn die meisten Leute vermutlich bei Wahlen über kaum etwas weniger nachdenken als über die Wappen.
Grundprinzipien und wichtigste Elemente
In der so genannten Blasonierung, der Wappenbeschreibung, wird das Aussehen des Wappens bestimmt. Ein Wappen besteht immer aus einem Schild, das mit Farben, Mustern und Figuren beschmückt ist. Die Form des Schildes hängt wesentlich von der Zeit ab, in der das Wappen entstand, und von dem Ursprungsland. Zusätzlich zu dem Schild als Hauptmotiv kann ein Wappen weitere Elemente enthalten, wie etwa ein über dem Schild schwebendes Oberwappen, das nicht zum Schild selbst gehört, und diverse Prunkstücke links und rechts neben dem Schild. In einigen Wappen ist unter dem Schild zudem ein Wahlspruch angebracht.
Die häufigsten in Wappen verwendeten Farben sind Rot, Blau, Grün, Schwarz und Purpur. Zur gängigen Wappen-Farbgebung, der Tingierung, zählen außerdem Gold und Silber sowie verschiedene an Pelze angelehnte Muster, die entsprechend als Pelzwerke bezeichnet werden. Im Mittelalter war die Vorliebe für kostbare Pelze sehr groß und der Einsatz für Tierrechte sehr klein. Insgesamt gibt es nur wenige Farben im Wappenwesen, da Kontrastreichtum eine wichtige Anforderung war. Ein Wappen nutzt wenig, wenn es in einigen Metern Entfernung schon nicht mehr richtig zu erkennen ist und Freund und Feind wieder nicht zu unterscheiden sind.
Zu den beliebtesten Wappentieren zählen Adler, Bär, Löwe und Pferd. Weiterhin finden sich in vielen Wappen Abbildungen von Gegenständen aus dem Handwerk, der Landwirtschaft oder des Kriegswesens. Ein sehr häufig auftretendes Symbol ist das Kreuz. Darüber hinaus sind viele Wappen mit Fabeltieren bestückt, beispielsweise mit Einhörnern oder Drachen.
Die Wappenkunst im Ganzen wird als Heraldik bezeichnet.
Recht(lich) eigenwillig
Wappen eines Staates, einer Gemeinde oder einer anderen Körperschaft des öffentlichen Rechts sind als amtliche Werke in Deutschland und vielen anderen Ländern grundsätzlich gemeinfrei. Das klingt eindeutig, ist es aber nicht. Die Verwendung von Wappen unterliegt dem Namensrecht. Darüber hinaus dürfen Hoheitszeichen – und dazu zählen Wappen – nicht unbefugt gebraucht werden. Was heißt „unbefugt“? Der Verwender darf nicht den Eindruck entstehen lassen, er wäre der Hoheitsträger. Eine Person oder ein Unternehmen darf also nicht einfach das Wappen von – sagen wir – Karlsruhe auf sein Fahrzeug abdrucken und dadurch den Anschein erwecken, es gäbe eine offizielle Verbindung zur Stadtverwaltung.
Viele Städte untersagen die Nutzung ihrer Wappen „ausdrücklich“, was wiederum eine ungeeignete Formulierung ist, denn als gemeinfreies, amtliches Werk darf ein Wappen sehr wohl zu künstlerischen und wissenschaftlichen bzw. populärwissenschaftlichen Zwecken genutzt werden, sofern dem Ansehen oder der Würde des Hoheitszeichens dabei nicht geschadet wird. Dafür, dass Wappen ursprünglich dazu dienen sollten, Verwirrung zu vermeiden, ist die rechtliche Lage ganz schön kompliziert.
Um es kurz zu machen: Ein Wappen darf abgebildet werden, wenn dies der Dokumentation dient oder in Form einer Besprechung geschieht. Eben das ist hier der Fall. Ich behaupte nicht, irgendwelche Rechte an den Wappen zu besitzen, ich zitiere sie nur. Dabei gebe ich Verweise bezüglich der Originalquelle, wenn erforderlich, an. Mich interessieren vor allem die Staats- und Stadtwappen.
Fünf zufällige Beispiele
Nun zum versprochenen Spaß. Es folgen fünf rein zufällig aus einer unsagbar großen Auswahl an Stadtwappen aus Europa herausgezogene Beispiele. Auch die Reihenfolge ist absolut beliebig und sagt nichts über irgendwas aus.
Wappen von Tinténiac
Die französische Gemeinde Tinténiac in der Bretagne ist hierzulande vermutlich noch am ehesten dafür bekannt, eine Partnerstadt von Bersenbrück in Niedersachsen zu sein, was bedeutet, dass Tinténiac hierzulande so gut wie überhaupt nicht bekannt ist. Ich vermute aber, dass es sehr nett dort ist. In Bersenbrück natürlich auch. Das Wappen von Tinténiac stammt aus dem Jahr 1384, was sich in der Schildform widerspiegelt, die heute als Alte französische Form bezeichnet wird. Um noch mehr über dieses Wappen zu erfahren, sind wesentlich bessere Erinnerungen an den Französischunterricht erforderlich als ich aufbringen kann. Die beiden blauen Linien mit dem roten Balken quer darüber könnten für die Lage der Gemeinde am Schifffahrtskanal Canal d’Ille-et-Rance stehen, der die Städte Rennes und Saint-Malo miteinander verbindet. Das schwarze Muster auf weißem Grund drumherum ist ein Pelzwerk bekannt als „Hermelin“ oder „Hermelinschwänze“. Es verweist auf das Wappen des Herzogtums der Bretagne.
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Wappen von Letohrad
Letohrad ist eine tschechische Stadt mit einem ziemlich schnörkellosen Wappen, bestehend aus einem Schild, das einen Hirsch auf einem Grünstreifen vor rotem Hintergrund zeigt. Witzigerweise ist der alte deutsche Name für Letohrad Geiersberg. Ganz andere Tierart. Sei’s drum. Der Hirsch ist ein recht beliebtes Wappentier, bei dem es häufig besonders auf das Geweih ankommt. So wird die Zahl der Enden des Geweihs genau festgelegt. Das erinnert mich jetzt etwas an meine mündliche Abiprüfung in Biologie. Der Hirsch ist zumeist ein Symbol für die Jagd bzw. für großen Reichtum an Wild und damit für eine intakte Natur, von der die Menschen gut leben können. Die abgerundete Schildform ist als Polnische Form bekannt.
Wappen von Pordenone
Das Wappen der italienischen Stadt Pordenone glänzt nicht direkt durch Bescheidenheit und Zurückhaltung, sondern strahlt viel von diesem mittelalterlichen „Wir sind geil“-Gedanken aus, der sich für ein Wappen gehört. Das Pordenone-Wappen setzt sich aus drei Elementen zusammen: dem Schild in moderner französischer Form, einem über dem Schild schwebenden Oberwappen in Form einer Krone und dem pflanzlichen Prunk um das Schild herum. Die Stadt Pordenone entwickelte sich aus dem Portus Naonis, einem Hafen des Flusses Noncello, und war ein wichtiger Posten auf dem Handelsweg ins reiche Venedig. Für diese lohnende Verbindung scheint das goldene Tor auf dem Schild zu stehen. Pordenone war im Mittelalter ein reges Handelszentrum, das unter habsburgischer Verwaltung stand und viele Privilegien besaß. Das mehrfach wiederkehrende Motiv der Krone könnte darauf Bezug nehmen. Nicht überraschend steht die Krone in Wappen üblicherweise für Monarchie, für Macht und für Würde.
Wappen von Soisy-sous-Montmorency
So auffällig das Stadtwappen von Pordenone ist, so schlicht nimmt sich wiederum das der französischen Gemeinde Soisy-sous-Montmorency nahe Paris aus. Ein so langer Name ist schon Prahlerei genug. Das Wappen besteht aus einem Blau-Weißen-Schild. Diese Farbkombination war schon lange bevor es Verkehrszeichen und Fußballtrikots gab sehr bewährt im Wappenwesen, da sie schlichtweg gut erkennbar ist. Blau steht dabei für Standhaftigkeit und Stärke, Weiß für Reinheit und Aufrichtigkeit. Ein dominanter Balken im oberen Bereich des Schildes symbolisiert zumeist Autorität. Die Schildform ist wieder altfranzösisch. Ich sag mal so: Es sind auch nicht alle Flaggen ausgefallen und spannend.
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Wappen von Neuschönau
In Niederbayern liegt der Erholungsort Neuschönau, dessen Stadtwappen ein recht interessantes Element enthält: ein Glas. Dieses erinnert an die früher für die Gemeinde sehr wichtige Glasindustrie, welche sich bis ins 15. Jahrhundert zurückverfolgen lässt. Der gelbe Querbalken symbolisiert dagegen den Sammersteig, einen früher wichtigen Handelsweg nach Böhmen. Im unteren Teil des Schildes wird eine Burg angedeutet, die heute nicht mehr existiert, aber der Ausgangspunkt für die Entstehung von Neuschönau war. Die Hauptfarbe des Wappens, das Grün, verweist auf den Bayerischen Wald. Ich gebe zu, es ist deutlich einfacher, sich mit Wappen aus deutschsprachigen Gegenden zu befassen, dafür ist es allerdings etwas weniger rätselhaft und überraschend.
Vorschau
Der Spaß nimmt kein Ende. Die zweite Folge von „Spaß mit Wappen“ folgt in Kürze und befasst sich mit Wappen aus deutschsprachigen Ländern.