Sag die Wahrheit oder du stirbst. Erfülle die Pflicht oder du stirbst. Dies sind zwar ziemlich heftige, aber doch einigermaßen leicht zu merkende Regeln für ein Spiel. Viele bekannte Kartenspiele erfordern mehr Denkleistung. Die gesetzten Regeln auch tatsächlich einzuhalten ist bei einem Spielleiter aus der Hölle, der sich partout nicht abschütteln lässt, wiederum etwas komplizierter.
Das bekannte Spiel Wahrheit oder Pflicht kann man entweder als Kinder- oder als Trinkspiel betrachten, aber in seinem Wesen ist es niemals wirklich harmlos. Es ist ein Spiel, das Menschen mit ihren verborgenen Sehnsüchten, Geheimnissen, Schwächen und Ängsten konfrontiert. Dieses Spiel ohne Würfel, Figuren und Brett gibt Menschen die Macht, andere Personen Dinge tun oder sagen zu lassen, die unangenehme Konsequenzen haben können. Insofern bedient sich ein Film, der dieses Spiel auf eine besonders diabolische Stufe stellt, einer interessanten Prämisse.
Wahrheit oder Pflicht: Die Handlung
Ich wähle Pflicht und stelle mich der Aufgabe, die Handlung dieses Films kurz zusammenzufassen: Eigentlich will die sozial engagierte Studentin Olivia (Lucy Hale) den Spring Break nutzen, um an einem Wohltätigkeitsevent teilzunehmen, lässt sich aber von ihrer besten Freundin Markie (Violett Beane) dazu überreden, mit ihrer gemeinsamen Clique, zu der noch Markies Freund Lucas (Tyler Posey), Penelope (Sophia Ali), Tyson (Nolan Gerard Funk) und Brad (Hayden Szeto) gehören, eine Sause in Mexiko zu veranstalten. Dort lernt Olivia in einer Bar den sympathischen Carter (Landon Liboiron) kennen, der die Gruppe plus Nervensäge Ronnie (Sam Lerner) in eine verlassene Kirche führt. Carter überredet Olivia und ihre Freunde dazu, Wahrheit oder Pflicht zu spielen. Plötzlich verändert sich Carters Verhalten und er warnt Olivia, das sie und die anderen das begonnene Spiel nun unbedingt weiterspielen müssen.
Zurück an der Uni geschehen immer wieder merkwürdige Dinge. Olivia und ihre Freunde werden der Reihe nach, in der sie in der alten Kirche gespielt haben, von einer unheimlichen Macht dazu aufgefordert, Wahrheit oder Pflicht zu wählen. Bald häufen sich die Todesfälle. Olivia begreift, dass das Spiel von einem Dämon besessen ist. Wie lässt sich Wahrheit oder Pflicht stoppen, bevor noch mehr Menschen sterben?
Wahrheit oder Pflicht: Die Kritik
Wahrheit! Dieser Film macht zu wenig aus seinem Potential und bleibt zu harmlos, um ein guter Horrorschocker zu sein, der aus der Masse heraussticht. Gleichzeitig bietet er noch zu viel Unterhaltung, um einen Verriss zu verdienen. Es ist irgendwie passend für einen Film wie diesem, in dem sich die Protagonisten zwischen grausamen Wahrheiten und gefährlichen Mutproben entscheiden müssen, dass der Zuschauer erheblich ins Schwanken bei der Bewertung gerät. Was man „Wahrheit oder Pflicht“ zweifellos vorwerfen muss, ist das Zurückgreifen auf gängige Klischees, vor allem in der Gestaltung der Charaktere. Die Hauptclique um Olivia ist ein Flickenteppich unterschiedlicher, teilweise inkompatibler Persönlichkeiten, die bei jeder gemeinsamen Aktivität immer nur ein Fingerbreit davon entfernt scheinen, sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen. Vor allem Olivia als von Natur aus opferbereiter Mensch scheint eine Art unsichtbares „Tritt mich“-Schild mit sich zu führen. Jeder ihrer Freunde bringt mindestens eine Schwäche oder ein Geheimnis mit, das den Zuschauer geradezu anschreit: „Hier beachte mich, ich bin wichtig für die Handlung!“
Wie schon viele Psychokiller in zahlreichen Filmen zuvor profitiert der Dämon von dieser Instabilität der Gruppe und den persönlichen Mängeln der Einzelnen. Das geht dann oft viel zu einfach. In einer geschlosseneren Gruppe mit weniger offensichtlichen Rissen sowie mit tiefgründigeren Charakteren, die der Zuschauer nicht auf Anhieb durchschaut, wäre so ein diabolisches Spiel komplexer, intensiver und überraschender. Hinzukommt, dass die Toten einfach tot sind, ohne das ihr Dahinscheiden große Auswirkungen hat. Die Polizei zeigt nicht viel mehr als mildes, wie üblich mit Inkompetenz durchzogenes Interesse, Angehörige reagieren kaum, die Presse taucht niemals auf.
Dennoch lebt das Szenario und damit der gesamte Film davon, dass dieses Spiel so gemein und heimtückisch ist. In Gestalt des Dämons besitzt es ein sadistisches, zynisches Eigenleben, das aber im Rahmen seiner Regeln „fair“ agiert. Jeder Spieler muss sich der Reihe nach stellen, um den Kelch weiterzureichen, der nur allzu schnell wieder zurückkommt. Das Prinzip kennen wir aus den „Final Destination“-Filmen und es weckt dieses Gefühl der Ausweglosigkeit. Falls sich jetzt jemand fragt, warum die Spieler nicht immer Wahrheit wählen … dafür haben die Autoren eine einigermaßen passable Lösung gefunden. Das gilt im Prinzip für das gesamte Drehbuch. Es wählt nie den Weg, der besonders ausgeklügelt oder schockierend ist, biegt aber auch nicht falsch ab.
Die Optik dieses Films ist ebenfalls bestens dazu angetan, gemischte Reaktionen hervorzurufen. Wenn ein Spieler an der Reihe ist, hat er Visionen von Menschen mit grotesk verzerrtem Grinsen, die ihn bedrängen. Protagonistin Olivia als erfahrener Social-Media-Profi vergleicht dies mit einem miesen Snapchat-Filter. Man will ihr da nicht widersprechen. Es sieht irgendwie lächerlich aus, aber darin liegt gleichzeitig ein schauerlicher Effekt. Diese Optik versinnbildlicht, dass hier mit Menschen gespielt wird. Die Grenze zwischen albern und unheimlich kann mitunter sehr schmal sein.
Wahrheit oder Pflicht: Das Fazit
Das größte Manko von „Wahrheit oder Pflicht“ ist letztlich, dass sich der Film zu wenig traut und die Möglichkeit ungenutzt lässt, über soliden, aus vertrauten Zutaten gekochten Horror hinauszugehen. Negative Kritiken wirken zu hart, positive Reviews zu milde. Wahrheit oder Pflicht, man weiß es am Ende der 100 Minuten nicht.
Wahrheit oder Pflicht: Die Daten
- Originaltitel: Truth or Dare
- Produktionsjahr: 2018
- Laufzeit: 100 min
- Drehbuch: Michael Reisz , Jillian Jacobs , Christopher Roach
- Regie: Jeff Wadlow
- Darsteller: Lucy Hale , Tyler Posey, Violett Beane , Hayden Szeto , Sophia Ali , Nolan Gerard Funk, Landon Liboiron, Sam Lerner , Tom Choi , Aurora Perrineau, Gregg Daniel
1 Response
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