Als höchster Berggipfel Deutschlands lockt die Zugspitze in den Ostalpen schon seit Generationen Menschen an, die hier Wintersportaktivitäten nachgehen, die Aussicht genießen, klettern, wandern, sich wünschten, sie hätten besseres Schuhwerk angezogen – und fotografieren. In meiner großen Sammlung alter Fotos finden sich daher nicht überraschend einige Aufnahmen aus den Ostalpen. Die Zugspitze früher, wie war sie denn so?
Ich besitze inzwischen meine eigene Zugspitze aus alten Fotoalben in mal besserem mal schlechterem Zustand, die auf Flohmärkten oder in Trödelläden gelandet sind, weil die Nachfahren ihrer ursprünglichen Besitzer sich nicht für sie interessieren oder es gar keine Nachfahren mehr gibt. Beides ist traurig, aber zumindest enden die Bilder, die allesamt ein winziges Stückchen Geschichte darstellen, nicht im Abfall, sondern bei mir – überall liebevoll chaotisch verteilt. Ich finde es spannend und faszinierend, mich mit diesen alten Bildern zu befassen, die in ihrer banalen Alltäglichkeit sehr viel über eine Zeit aussagen können. Diese Bilder werden niemals in einer Fernsehdokumentation, wissenschaftlichen Abhandlung oder im Museum auftauchen, haben aber trotzdem ihren ganz besonderen Charme. Selbst wenn einige, so offen muss man sein, total langweilig sind.
Die junge Zugspitzbahn
Dieses Bild stammt aus dem Jahr 1929 und zeigt die Tiroler Zugspitzbahn mit Hotel davor. Die heute hochmoderne Anlage mit nicht mehr nur einem Hotel, sondern einem ganzen Resort, war damals gerade drei Jahre alt. Die Bahn ist im Juli 1926 eröffnet worden. Wie es heute dort aussieht, könnt ihr euch unter anderem hier anschauen.
Es stellt sich die Frage, wo die ganzen Menschen stecken. Oder die gepflasterten Straßen. So viel Ruhe sind wir von modernen Fotos kaum mehr gewohnt. Sehr schön an diesen alten Bildern finde ich außerdem, dass sich schwerlich sagen lässt, ob das Wetter gut war oder nicht. „Wir hatten herrliches Wetter damals“ – „Wann?“ – „Von 1900 bis 1950!“.
Ist sie gut oder schlecht gealtert, die Zugspitze? Hier ein Bild vom 25. Juli 1929. Zur historischen Einordnung: im Juli 1929 protestierte die griechische Regierung bei Frankreich, Großbritannien und den USA gegen die vorgesehene Herabsetzung des griechischen Anteils an den deutschen Reparationen, die Regierung der Sowjetunion brach die diplomatischen Beziehungen zu China ab und die griechisch-türkischen Verhandlungen über einen Austausch von Flüchtlingen wurden ausgesetzt. Die Türkei verweigerte strikt eine Rückkehr der aus Istanbul geflohenen Griechen.
Nur die Krähe war Zeuge
Dieses Foto ist zwar alt, aber so alt nun auch wieder nicht: Es war definitiv nicht die Inspiration für Edgar Allen Poes „Der Rabe“. Das leicht schaurige Bild entstand im Jahr 1935 hoch über den Ostalpen. Mit dem original schwarz-weißen Ambiente, der Krähe, der älteren Dame, die nur von hinten zu sehen ist, und dem Gebirge im Nebel hat dieses Bild durchaus das Zeug dazu, als bildliche Vorlage für einen altmodischen Krimi zu dienen. Darin ist die alte Dame eine allseits verhasste Erbtante, die ihren teuersten Schmuck in die Tiefe werfen will, um ihrer raffgierigen Verwandtschaft eins auszuwischen, dann jedoch selbst über das Geländer fliegt. Unfall? Mord? Selbstmord? Nur die Krähe war Zeuge.
Diese Aufnahme ist nicht mehr ganz so schaurig. Offenbar war das Erkunden deutsch-österreichischer Gebirgswelten im Jahr 1935 eine beliebte Tätigkeit bei betuchten Damen. Dringend vorgeschrieben war dabei das Tragen eines Hutes, der jeden Moment von einer Böe erfasst werden und ins Tal hinabgleiten konnte. Auch die Schuhe scheinen mir nicht ob ihrer Bequemlichkeit und Wetterfestigkeit ausgewählt worden zu sein.
Und das war der Stand der Technik 1935. Sieht Okay für mich aus, abgesehen davon, dass ich auch heute nicht gerne in solche Dinger steige oder überhaupt in etwas, das den Boden verlässt. Ein sehr gelungener Bestandteil der Komposition sind die beiden einsamen Gestalten rechts oben in der Ecke. Ein Paar, das sich gerade vor dem Panorama verlobt? Zwei Spione, die Informationen zur neuen deutschen Luftwaffe austauschen? Zwei Menschen, die ein Selfie machen würden, wenn es damals schon Smartphones gegeben hätte? Na, ist das spannender als Briefmarken sammeln oder was?
Ich bin eigentlich kein Fan von alten Dingen, egal, ob Fotos, Bücher oder Trödel. Dein Bericht aber, der Zugspitze mit alten Fotos näher zu kommen, hat mir sehr gut gefallen. Das sind wahre Zeitzeugen.
Klasse auch Deine phantasievollen Bemerkungen, rundum gelungen. Hat Spass gemacht, zu lesen.
Fussige Grüsse, Jana
Freut mich, danke.