Aus Angst vor übermächtigen Lippenlesern halten sich im Profifußball immer mehr Spieler und Trainer bei der Kommunikation auf und neben dem Platz die Hand vor den Mund. Für die sprachlichen Perlen, die uns dabei vielleicht entgehen, werden wir mehr als entschädigt durch all das, was die Persönlichkeiten des Fußballs so in die Mikrofone plappern, die man ihnen bei jeder sich bietenden Gelegenheit an den Händen vorbei unter die Nase hält.
Die Welt der Fußballzitate ist reich bestückt mit grammatikalischen Ausrutschern, seltsamen Wortverdrehern, eigenartigen Vergleichen, triefendem Sarkasmus und manchmal einfach nur geballter Doofheit. Selbstverständlich haben sich längst Menschen gefunden, die mehr als nur ein Grinsen oder Schulterzucken für solche Zitate übrig haben, die diese sogar sammeln, bewerten und veröffentlichen. Um dem Ganzen einen feierlichen Rahmen zu geben, wird in Deutschland seit 2006 der „Fußball-Spruch des Jahres“ gekürt. Bis zum 9. Oktober 2017 entscheidet eine Jury darüber, wer in der vergangenen Saison die vier besten Zitate rausgehauen hat. Aus dieser Shortlist wählen die Besucher der Gala zur Verleihung des Deutschen Fußball-Kulturpreises am 20. Oktober den Sieger. Bei den elf nominierten Zitaten sprechen nicht nur Profis, sondern auch Fans ein Wörtchen mit.
Wikipedia und Erwin Hotzenplotz
Werder-Profi Thomas Delaney, sein Trainer Alexander Nouri, Darmstadt-Präsident Rüdiger Fritsch, Hoffenheim-Trainer Julian Nagelsmann und die Fans von Schalke 04 sind einige der aussichtsreichen Kandidaten auf den Titel „Fußball-Spruch des Jahres“. Ihre preisverdächtigen Zitate drehen sich primär um Fußball, dabei aber auch um bemerkenswert gegensätzliche Themen wie Politik, Landwirtschaft, Internet und Musik.
Die elf nominierten Fußballsprüche 2017
„Ein Bauer muss sich auch mal von seinen Kühen und Schweinen trennen – auch wenn er eine gute Beziehung zu ihnen hat.“
(Julian Nagelsmann, Trainer der TSG 1899 Hoffenheim, über den Wechsel von Sebastian Rudy und Niklas Süle zum FC Bayern München)
Tiere sind eben auch nur Fußballspieler … oder so. Julian Nagelsmann vergleicht hier seinen Fußballclub mit einem Bauernhof, was an sich nicht aus der Luft gegriffen ist, wenn man bedenkt, dass es von schussgewaltigen Spielern schon mal heißt, sie hätten einen „Huf“, während besonders fleißige Spieler 90 Minuten lang „ochsen“. Etwas bedenklich an Nagelsmanns Aussage ist freilich die Tatsache, dass sich ein Bauer meist dann von seinem Vieh trennt, wenn dieses geschlachtet wird. Klingt nicht nach rosigen Aussichten für Rudy und Süle beim deutschen Rekordmeister.
„Jeder Sieg tut gut. Ein Derbysieg noch guter.“
(Frank Baumann, Manager des SV Werder Bremen, nach dem 2:1-Sieg der Bremer gegen den Hamburger SV)
So kann man es natürlich ausdrücken, es klingt dann nur eben komisch. Perfektes Hochdeutsch war aber und wird wohl auch nie die Grundvoraussetzung für eine Karriere im Fußball sein.
„Ich habe einfach nicht nachgedacht. So wie ich immer nie nachdenke.“
(Julian Pollersbeck, Torhüter der deutschen U21-Nationalmannschaft, nach dem gewonnen Elfmeterschießen gegen England im EM-Halbfinale)
Ein Satz wie ein Gemälde. Ein seltsames, schief hängendes, unnötiges Gemälde, aber ein Gemälde.
„Nein, den Ball habe ich nicht mitgenommen. Ich muss jetzt erst einmal schauen, ob mein Wikipedia-Eintrag auf dem neuesten Stand ist.“
(Thomas Delaney, Mittelfeldspieler des SV Werder Bremen, nach seinen drei Toren beim 5:2-Sieg in Freiburg)
Viel besser und ironischer kann man den modernen Fußball gar nicht zusammenfassen. Wenn man ein Tor geschossen hat, dies aber nirgendwo im Internet steht, war man dann überhaupt auf dem Platz? Wikipedia ist wirklich eine brauchbare Quelle, um an aktuelle Infos über Sportler zu kommen. Thomas Delaney hat, Stand 10. September 2017, fünf Tore für Bremen geschossen und vier für die dänische Nationalmannschaft. Im Übrigen ist er 182 cm groß und hat amerikanische Wurzeln. Gut zu wissen.
„Ein klassischer Fehler wäre es gewesen, wenn wir anstatt eines Fußballlehrers Norbert Meier einen Klavierlehrer Erwin Hotzenplotz geholt hätten.“
(Rüdiger Fritsch, Präsident von Darmstadt 98, auf die Frage, ob die Verpflichtung von Trainer Norbert Meier ein Fehler gewesen sei)
Das lässt sich nicht bestreiten. Ein Klavierlehrer als Fußballtrainer zu verpflichten wäre sicherlich ein großes Missverständnis. Umgekehrt genau so. Fußballprofis benötigen keine Tonleitern und Pianisten keinen Volleyschuss. Ein Klavierlehrer dürfte in seinem neuen Amt zudem Schwierigkeiten damit haben, dass seine Schützlinge nicht ihre Hände zum Spielen benutzen dürfen und jeder Klavierschüler wird sich herzlich bedanken, wenn er klassische Musik plötzlich mit den Füßen zum Besten geben soll, während sein Lehrer lautstarke Anweisungen brüllt.
„Ich habe nichts gegen das Wort Europa. Ich bin ja nicht die AfD.“
(Alexander Nouri, Trainer des SV Werder Bremen, auf die Frage, ob sein Team einen Europacup-Platz erreicht)
Die Vermischung von Sport und Politik ist grundsätzlich eine heikle Angelegenheit, die durchaus zum Eigentor werden kann. Schon im alten Rom wusste man, dass nichts die einfachen Bürger so effektiv von großen Entscheidungen ablenkt wie Spiele. Das funktioniert aber nur, solange die Gladiatoren nicht den mahnenden Zeigefinger heben. Dann geht der Daumen des Publikums schnell nach unten.
„Für kölsche Verhältnisse bin ich doch sowieso schon der Wenger.“
(Peter Stöger, Trainer des 1. FC Köln, zum Wunsch von Vize-Präsident Toni Schumacher, er solle der „Kölsche Wenger“ werden)
Hintergrund dieses Ausspruches, den ein fußballfremder Betrachter eher nicht verstehen dürfte, ist der Umstand, dass Arsene Wenger den englischen Club FC Arsenal seit 1996 trainiert. Stöger ist seit 2013 in Köln beschäftigt und deutet mit seiner Aussage an, dass es beim FC Köln schon so viele Trainerwechsel gab, dass vier Jahre dort vergleichbar mit 20 Jahre bei einem anderen Club sind. Peter Stöger geht in diesen Wettstreit um den „Fußball-Spruch des Jahres“ übrigens als Titelverteidiger.
„Wir danken der Mannschaft, dass sie uns auch in dieser Saison so zahlreich hinterhergereist ist.“
(Transparent der Fans von Schalke 04 beim letzten Saisonspiel in Ingolstadt)
Üblicherweise bedanken sich Spieler nach einer Saison bei ihren Fans für deren Unterstützung, hier drehen die Fans von Schalke 04 den Spieß ironisch um. Humor kann man als Anhänger des Ruhrpott-Clubs, der seit Jahren mit sehr wechselhaftem Erfolg versucht, ganz oben mitzuspielen, durchaus gebrauchen.
„Ich sitze bei den Spielen neben meiner Frau, um dort meinen ehelichen Pflichten nachzukommen.“
(Andreas Rettig auf die Frage, ob er in neuer Doppelfunktion als Geschäftsführer und Sportchef des FC St. Pauli die Spiele von der Bank aus verfolgen wird)
Da man unter „ehelichen Pflichten“ gemeinhin eine Aktivität versteht, die in einem Fußballstadion fehl am Platz wäre und mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde als das Elfmeterschießen in einem WM-Finale, verleitet dieser Ausspruch zum Schmunzeln. Klar bieten sich jetzt Wortspiele mit „Volltreffer“ und „zum Schuss kommen“ an, aber dafür müsste ich mir selbst die rote Karte geben.
„Mein Tipp ist 1:1, auch wenn in der zweiten Halbzeit sicher noch Tore fallen werden.“
(Fernsehexperte Lothar Matthäus beim Halbzeitstand von 1:1 zwischen dem FC Bayern und dem FC Arsenal)
Dass Lothar Matthäus solche Sprüche raushaut, ist schon nichts Besonderes mehr. Er gilt auf diesem Gebiet als Pioneer, um nicht zu sagen als Legende. Ein Rekordspieler durch und durch, auch was die verbalen Luftlöcher angeht.
„Wenn konsequent, dann konsequent konsequent.“
(Thomas Tuchel, Trainer von Borussia Dortmund, zur Suspendierung des Spielers Pierre-Emerick Aubameyang für das Champions-League-Spiel gegen Sporting Lissabon)
Wenn unnötig, dann unnötig unnötig.
Meine Favoriten auf den Fußball-Spruch des Jahres
- „Ein Bauer muss sich auch mal von seinen Kühen und Schweinen trennen – auch wenn er eine gute Beziehung zu ihnen hat.“
- „Nein, den Ball habe ich nicht mitgenommen. Ich muss jetzt erst einmal schauen, ob mein Wikipedia-Eintrag auf dem neuesten Stand ist.“
- „Ein klassischer Fehler wäre es gewesen, wenn wir anstatt eines Fußballlehrers Norbert Meier einen Klavierlehrer Erwin Hotzenplotz geholt hätten.“
- „Ich sitze bei den Spielen neben meiner Frau, um dort meinen ehelichen Pflichten nachzukommen.“