Als plakativen Einstieg in diesen kleinen Text habe ich mir zunächst die Zeile „Bürberg statt Balearen“ überlegt. Das klingt gut, zeigt Wirkung, trifft es aber nicht ganz. Auch ohne Corona hätte es mich im Sommer 2020 nicht nach Spanien verschlagen. Ein Urlaub an der Nordsee war da schon wahrscheinlicher. Die bedingt freiwillige Entscheidung vieler Deutscher, in diesem Jahr auf nahe Erholung statt ferne Reisen zu setzen, hat allerdings dazu geführt, dass die Küsten unseres Landes regelrecht ausgebucht sind. Dies widerrum bewirkt, dass plötzlich ganz andere Regionen touristische Glanzpunkte auf der Deutschlandkarte setzen dürfen. Eine davon ist das Sauerland. So hätte der Einstieg in diesen Text gut und gerne „Bürberg statt Bensersiel“ lauten können.
Mit mehreren Familienmitgliedern, darunter zwei Kindern, habe ich die letzte Juliwoche 2020, in der sich die Nachrichten um die Frage nach verpflichtenden Coronatests für Urlaubsrückehrer aus Risikoländern drehte, in Bürberg im Sauerland verbracht. Bürberg ist ein ebenso winziger wie idyllischer Ortsteil der Stadt Attendorn, in dem 48 Menschen, ein Dutzend Milchkühe, ein Pferd und mehrere Betonfiguren leben. Gewohnt haben wir auf einem ehemaligen, zu einem Feriendomizil ausgebauten Hof, für den man beim Dudenverlag einen Antrag auf Abbildung unter dem Begriff „urig“ stellen sollte, allerdings nur per Brief, denn es gibt kein WLAN. Bürberg entspricht so ziemlich genau dem Bild Sauerlands, das ich noch von einer Klassenfahrt anno 1996 im Kopf hatte. Damals lag mir das ständige Bergaufgehen allerdings noch nicht so schwer in den Beinen.
Es geht UP!
Das Sauerland ist ausgesprochen bergig. Seinen Spitznamen „Land der 1000 Berge“ hat sich diese Region im nördlichen Westen Deutschlands redlich verdient, meine Beinmuskulatur bestätigt dies unter leichtem Wehklagen. Jene mir persönlich etwas suspekten, aber gleichwohl respektierten Menschen, die gerne wandern, die es lieben, stundenlang zu Fuß hoch- und runter zu laufen, die mit Begeisterung Geraden und Kurven gehen, um sich dann und wann auf eine Holzbank zu setzen, kommen im Sauerland voll auf ihre Kosten. Ein großer Vorteil in Coronazeiten ist dabei natürlich, dass dies an der frischen Luft stattfindet und sich die Leute gegenseitig recht einfach aus dem Weg gehen können. Wir sind durchaus anderen Gruppen begegnet, aber da alle ihre eigene Geschwindigkeit haben und verschiedene Ziele verfolgen, verteilt es sich ziemlich gut. In und um Bürberg gibt es eine Reihe von schönen Wanderwegen durch Wald und Wiesen, die z.B. zu kleinen Kapellen oder Burgruinen führen. Ein Höhepunkt, im wahrsten Sinne des Wortes, ist der „Biggeblick“, eine freizugängliche Aussichtsplattform, die über den Biggesee ragt.
Der Biggsee war ein entscheidendes Kriterium für uns, wenn schon nicht an die Nord- oder Ostsee, dann ins Sauerland zu reisen. Wir mögen Wasser. Der Biggesee erstreckt sich über fast 9 km² und zählt damit zu den größten Stauseen Deutschlands. Es gibt mehrere Badebuchten; Bürberg am nächsten liegt die Waldenburger Bucht, die ohne Eintritt von 10.00 bis 19.00 Uhr zugänglich ist. Badegäste können es sich hier entweder auf der Strandfläche oder der Liegewiese gemütlich machen, es stehen ein (sauberes) Toilettenhaus und ein Kiosk zur Verfügung, beide dürfen diesen Sommer nur mit Mund-Nasen-Schutz betreten werden. Das Abstandhalten hat funktioniert, ob dies freilich immer so ist, besonders an den richtig heißen Tagen, kann ich nicht beurteilen.
Meinen letzten beiden größeren Urlaubsreisen 2016 und 2018 habe ich jeweils eine eigene Blogserie gewidmet, doch in Coronazeiten darf es ruhig eine Nummer kleiner sein. Einige weitere Eindrücke aus dem Sauerland möchte ich dennoch nicht vorenthalten. Wer sich am Ende am Biggesee einen Sonnenbrand holt (so wie ich) oder auf einem der sprichwörtlichen 1000 Berge die Bänder zerrt, kann in der Arztpraxis auf die vorsichtig-misstrauische Fragen „Waren Sie im Ausland?“ mit einem fröhlich-entspannten „Nein, im Sauerland!“ antworten. Das allein ist schon einiges wert dieser Tage.
So sieht das Sauerland aus
Dies ist ein Biggeblick von der gleichnamigen Aussichtsplattform, die 90 Meter über den Stausee ragt. Meine Höhenangst hat sich gemeldet, obwohl die freihängende Plattform wirklich keinen Grund liefert, an ihrer Sicherheit zu zweifeln. Man kann nur eben durch den Gitterboden wirklich tief nach unten sehen. Der offizielle Anstieg zum Biggeblick ist ein asphaltierter Weg durch einen Wald, der für Autos gesperrt ist. Auf dem Rückweg haben wir teilweise einen inoffiziellen Trampelpfad über Stock und Stein genommen – die Steine waren eher Wurzeln – und sind schadlos unten angekommen. Am Biggeblick gibt es mehrere Sitzgelegenheiten, einen kleinen Waldspielplatz und ein Gitter, an dem Menschen als Liebessymbol beschriftete Schlösser hinterlassen. Außerdem stehen dort Infotafeln. Eine Hütte des Sauerländischen Gebirgsvereins hat immer sonntags geöffnet. Wir haben den Aufstieg an einem Montag gewagt.
Noch einmal der Biggesee, diesmal aufgenommen an der Waldenburger Bucht. Das Wasser sieht verlassen aus, tatsächlich befanden sich darin einige Menschen, die im kühlen Nass gebadet haben, in Schlauchbooten unterwegs waren oder auf diesen Stehbrettern gepaddelt sind, von denen ich definitiv sofort herunterfallen würde. Ich habe schon vom Zuschauen das Gleichgewicht verloren. Der Himmel trügt ebenfalls etwas, es gab genug Sonne, die mich verbrannt hat. Der Biggesse kann somit fast alles, was die Nordsee auch kann.
Diese Aussicht bot sich uns vom Garten unseres Bürberger Feriendomizils aus. Nicht so schlecht, oder? Ein solcher Anblick kann durchaus glücklich machen, wobei es mir allein schon einen leichten Schauer der Erleichterung durch den Körper trieb, zu wissen, dass ich nicht jeden dieser Berge besteigen muss.
Das ist ein Pfau. Dies Vogelart sitzt im Sauerland nicht einfach so in der Gegend herum, die Aufnahme entstand im Affen- und Vogelpark Eckenhagen, rund 20 Kilometer von Bürberg entfernt. Von den Affen hatten wir allerdings wenig, ihre enge Verwandtschaft mit uns Menschen macht sie leider zu anfällig für Corona, so dass sie in diesem Sommer etwas abgeschottet werden. Trotzdem gibt es eine Fülle von Lebewesen ziemlich hautnah zu erleben, neben verschiedenen Vögeln außerdem Erdmännchen, Otter, Ziegen und Schildkröten. Dieser große, bunte Vogel hat sich entweder wegen der Hitze oder aus Protest gegen die Ausgangsbeschränkungen für Affen eingegraben, womit ich zum ersten und vermutlich einzigen Mal in meinem Leben von einem Pfau mit Sand bespritzt wurde. Der Affen- und Vogelpark Eckenhagen ist ziemlich sehen- und erlebenswert, auch für Kinder, da es dort einige Spielgeräte und kleine Fahrgeschäfte wie Mini-Wildwasserbahnen, Kettenkarussells und ähnliches gibt. Diese funktionieren per Münzeinwurf. Die Sache mit dem Abstandhalten … nun ja … es hängen diesbezüglich viele Hinweisschilder. Im Eingangsbereich werden Schutzmasken getragen.