Die Zeit ist ein äußerst vielseitiges Konzept. Sie kann rasen und stillstehen, man kann sie verlieren, während andere sie finden, sie heilt Wunden und setzt Zeichen, sie ist Geld, das gestohlen oder verschwendet wird, sie dreht sich nie um und sie zeigt jedem unnachgiebig ihre Zähne.
Sprichwörtlich ist die Zeit genau genommen selbst ein Zahn, der an den Dingen und Menschen nagt. Dieser sagenumwobene Zahn der Zeit frisst sich mit zerstörerischer Kraft durch die Welt und unterscheidet dabei nicht wesentlich zwischen dem Lebendigen und dem Gegenständlichen. Das wussten schon die alten Römer, als sie noch gar nicht so alt waren.
Ovid sagte und Shakespeare stimmte zu
In seinen Metamorphosen schrieb der römische Dichter Ovid etwa um das Jahr 1 nach Christus herum:
[…] du, du neidisches Alter, alles zerstört ihr, verzehrt allmählich, was vorher der Stunden Zähne benagt und geschwächt, in langsam schleichendem Tode.
Aus diesen nagenden Zähnen der Stunden wurde im Laufe der Jahrhunderte der Zahn der Zeit. Zur Entwicklung dieses geflügelten Ausdrucks hat auch William Shakespeare beigetragen. In seinem Theaterstück „Maß für Maß“ heißt es:
O! Solch Verdienst spricht laut; ich tät ihm Unrecht,
Schlöss ich’s in meiner Brust verschwiegne Haft,
Da es verdient, mit erzner Schrift bewahrt
Unwandelbar dem Zahn der Zeit zu trotzen
Welchen Beruf hat die Zeit?
Ovid und Shakespeare waren Poeten, aber nicht unbedingt gut darin, schnell auf den Punkt zu kommen. Da hat es Mark Twain schon wesentlich treffender zusammengefasst:
Die Zeit mag Wunden heilen, aber sie ist eine miserable Kosmetikerin.
Doch ist die Zeit wirklich eine schlechte Kosmetikerin oder vielleicht sehr gut in einem ganz anderen Beruf? So schreibt die Autorin Faith Baldwin:
Die Zeit ist eine Schneiderei, die auf Änderungen spezialisiert ist.
Hingegen verortet der Schweizer Schriftsteller und Schauspieler Curt Goetz die Zeit in einem Berufsfeld, das weniger mit dem Aussehen zu tun hat:
Die Zeit ist eine große Lehrerin. Schade nur, daß sie ihre Schüler umbringt.
Oder gehört die Zeit vielmehr in den Finanzsektor? Dazu erklärt der Schweizer Autor Ralph Boller:
Die Zeit ist Gottes Art, Kredit zu geben.
Von unbekannt
Man kann der Zeit den Zahn nicht ziehen, selbst wenn manche Menschen dies mit aller Gewalt versuchen. Vielleicht sollten wir alle es mit Humor nehmen, in dem Wissen, dass niemand vor der gefräßigen Uhr des Lebens sicher ist. Das klingt dann etwa so:
Laßt’s uns mal ruhig offenbaren:
Wir sind nicht mehr, was wir mal waren.
Es sei ganz ehrlich hier gesagt,
der Zahn der Zeit, der hat genagt.