Dass ich als Nebeneffekt meiner Sammelleidenschaft für alte Fotos und Kameras auch ein bisschen Philokartie, sprich das Sammeln und Erforschen alter Postkarten, betreibe, habe ich bereits ausgeführt. Wie wir wissen (sollten), ist auf einer Postkarte einfach nicht genug Platz, um alles noch einmal zu wiederholen.
Postkarten waren das Twitter ihrer Zeit, irgendwann war einfach kein Platz für weitere Zeichen übrig. Gegen Ende musste man immer kleiner und kleiner schreiben, bis die Worte fast nicht mehr lesbar waren. Anders als Twitternachrichten brauchten Postkarten allerdings etwas länger, um ihren Bestimmungsort zu erreichen, so ungefähr 10080 Minuten länger. Dafür hatten diese alten Postkarten etwas, das wir heute auch durch Emojis und Gifs nicht 1 zu 1 kopieren können: seltsame, kitschige, realitätsferne Designs. Hier möchte ich nun einige alte Postkarten aus meiner Sammlung präsentieren, die nicht gut gealtert, aber doch irgendwie traumhaft schön sind. Also irgendwie.
Ohne Boot nichts los
Wäre die reale Welt auch so rosa, wir würden alle permanent Regenbogen kotzen. Entschuldigung. Leider ist der Poststempel auf der Rückseite nicht mehr lesbar, aber diese Postkarte dürfte in den 1910er oder 1920er Jahren auf die Reise gegangen sein. Für die Knicke kann ich die Post heute vermutlich nicht mehr belangen. Wichtig: Wir sehen ein Boot.
Endlich Abend. Ich bin mir nicht ganz sicher, warum das Reh einen Schnurrbart trägt, aber vermutlich war das früher einfach so. Diese Karte wurde übrigens niemals abgeschickt. Ich könnte also … möchte jemand? Bemerkenswert: Wir sehen schon wieder Boote. Diesmal weiter hinten und mit Segeln.
Hier kann niemand die Boote übersehen. Über diese Karte lässt sich etwas mehr aussagen, da die Rückseite gut erhalten ist. Abgestempelt wurde die Karte am 9. Juni 1944 in Montabaur, Rheinland-Pfalz. Sie ist von einer Familie K. an eine Familie R. adressiert. Familie K. bedankt sich im Text für eine Karte, die sie zuvor von Familie R. erhalten hat und fragt nach dem Wohlbefinden einer Tante. Des Weiteren beklagt sich Familie K. über den ständigen Regen. Bekanntlich hatten die Menschen in Deutschland 1944 keine anderen Probleme als das Wetter. Drei Tage zuvor waren die Alliierten in der Normandie gelandet. Da gab es auch viele Boote am Strand.
Diese Postkarte – ohne Boot – erhielt ihren Stempel am 25. August 1917 in Stahlhofen, Rheinland-Pfalz und schickt „tausend herzliche Grüße“ an einen nicht mehr zu entziffernden Adressaten. Sie wurde als Feldpost deklariert.
Nicht nur, dass die Karte stark verblasst ist, sie fühlt sich auch äußerst merkwürdig an, sehr rau. Wenn ich sie berühre, bekomme ich das Gefühl, meine Hände müssten schmutzig sein, es ist aber nichts auf der Haut zu sehen. Die Magie alter Postkarten.