Was hat Berlin mit Angola, Burkina Faso, Eritrea, Kirgisistan und Nordkorea gemeinsam? Den Internationalen Frauentag als gesetzlichen Feiertag. Es klingt ein wenig absurd, dass die deutsche Hauptstadt hier mit Staaten auf einer Wellenlänge liegt, mit denen eine führende demokratische Industrienation wie Deutschland eigentlich nicht in einen Topf geworfen werden möchte. Es passt aber ins Bild eines Feiertages, der kontrovers diskutiert wird.
Seit Berlin als erstes Bundesland beschlossen hat, den Internationalen Frauentag, kurz Weltfrauentag, am 8. März zum gesetzlichen Feiertag zu erklären, schauen die Frauen und Männer aus anderen Teilen Deutschlands mit gemischten Gefühlen in die Hauptstadt. Zu einem Hauch von natürlichem Neid darauf, dass die Berliner nun an jedem 8. März einen freien Tag haben, gesellt sich eine bunte Palette aus zustimmenden und ablehnenden Meinungen. Für manche Bundesbürger war – bei ehrlicher Betrachtung – der Weltfrauentag bisher kaum präsenter als der Internationale Tag der Karotte. Entsprechend überrascht dürften sie über die Beförderung sein. Zwischen den Zeilen aller Diskussionen steht die entscheidende Frage, ob der Weltfrauentag in ganz Deutschland dieselbe Anerkennung erhalten sollte wie in Berlin.
Ein falsches Signal?
Recht häufig wird der Kritikpunkt angeführt, dass der Weltfrauentag als gesetzlicher Feiertag den Gedanken der Gleichberechtigung unterwandere. Schließlich haben die Männer keinen eigenen Feiertag. Dem könnte ich zustimmen, wenn nur die Frau an sich geehrt werden würde. Frauen sind nicht besser als Männer und Männer nicht besser als Frauen. Punkt. Der 1911 eingeführte Weltfrauentag war aber ursprünglich dem Ziel gewidmet, dass Frauenwahlrecht durchzusetzen und die Rechte der Frauen im Allgemeinen an jene der Männer anzupassen. In der Gegenwart erinnert der Weltfrauentag an diesen Kampf. Dem 8. März seine Berechtigung abzusprechen, würde bedeuten, zu negieren, dass es die Ungleichheit und das Antreten gegen diese gegeben hat (und teilweise immer noch gibt).
Für die Männer können wir einen solchen Feiertag nicht einführen, da sie diese Benachteiligung nicht erlebt haben und nie dafür kämpfen mussten, als gleichberechtigtes Geschlecht anerkannt zu werden. Natürlich erfuhren und erfahren auch unter Männern gewisse Gruppen Diskriminierung, etwa aufgrund ihrer Hautfarbe, aber Männern war es nie wegen ihres Geschlechts untersagt, zu wählen oder zu arbeiten. Männern wurden keine Rechte vorenthalten, nur weil sie Männer sind. In meinen Augen setzt der Weltfrauentag als gesetzlicher Feiertag kein Signal gegen Gleichberechtigung, sondern ehrt das Ansinnen, diese zu erlangen und gedenkt der Frauen, die dafür gekämpft und gelitten haben.
Die Sache mit dem Sozialismus
Der Weltfrauentag ist ein politischer und kein religiöser Feiertag. Dieser Umstand alleine führt zu weiteren Kontroversen. Das Christentum verliert ein wenig an Boden, wenn es nicht mehr die Oberhoheit über die freien Tage in Deutschland hat. Ob säkulare Feiertage wirklich eine Bedrohung für den Glauben darstellen, darüber lässt sich in der Tat streiten. Prinzipiell ist an einem etwas ausgewogeneren Verhältnis zwischen politischen und religiösen Feiertagen nichts auszusetzen. Es trifft den Geist des 21. Jahrhunderts. Problematisch an einem politischen Feiertag ist jedoch immer die Politik. Der Weltfrauentag steht unter dem Verdacht, ein sozialistischer Feiertag zu sein, der auf den Kommunismus zurückgeht und einen starken Bezug zur Sowjetunion bzw. zu Russland hat. Da schrillen sogleich eine Vielzahl von Alarmglocken gleichzeitig. Wie so oft offenbart der Blick in die Geschichte jedoch viel buntere Facetten.
Der Weltfrauentag entstand auf der Zweiten Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz am 27. August 1910. Insofern ist sein Ursprung tatsächlich sozialistisch, was die Nationalsozialisten dazu veranlasste, diesen Tag zu verbieten, und die DDR unter sowjetischer Besatzung animierte, ihn wieder einzuführen. Besagte Internationale Sozialistische Frauenkonferenz fand damals in Dänemark statt. Der Beschluss zur Einführung eines Weltfrauentages wurde maßgeblich von zwei deutschen Teilnehmerinnen, Clara Zetkin und Käte Duncker, angestoßen. Die Grundidee dazu kam aus den USA, wo 1908 ein Nationales Frauenkomitee einen Kampftag für das Frauenstimmrecht initiiert hatte. Die örtlichen Wurzeln des Weltfrauentages liegen somit in drei Ländern, von denen keines Russland ist: Dänemark, Deutschland und den USA. Die Wortführerinnen waren Deutsche, die Ideenlieferanten Amerikanerinnen. Solche historischen Details sollten bei einer politischen Auseinandersetzung nicht ignoriert werden.
1 Response
[…] Das Bewusstsein für diesen Ehrentag der Frau erwachte erst in den 1960er Jahren wieder richtig zum Leben, so dass er heute wie zu seinen Ursprungszeiten für den weltweiten Kampf der Frauen um ihre Rechte steht. Seit 2019 ist der Weltfrauentag ein gesetzlicher Feiertag in Berlin (mehr dazu hier) […]