Der Brexit ist da und alle sehen sich an und denken: „ups!“ So richtig hat niemand damit gerechnet, auch die Briten selbst nicht. Die Märkte reagieren natürlich nervös und viele von denen, die gestern erst abgestimmt haben, würden es heute gerne noch einmal tun – für einen Ausstieg aus Großbritannien.
Das Commonwealth ist sich nicht sehr einig. Die Engländer und Waliser waren mehrheitlich für einen Austritt, die Schotten und Nordiren dagegen. Auch auf Gibraltar, dessen Zugehörigkeit zu Großbritannien man schon mal vergisst, wurde Pro-EU gewählt. Was bedeutet das für die Zukunft des Königreiches? In Schottland gab es bereits vor nicht allzu langer Zeit ein Referendum über die Zugehörigkeit zu Großbritannien, das zugunsten des Königreichs ausfiel. Nun aber könnte die EU Schottland und Nordirland dabei unterstützen, unabhängig zu werden und in der EU zu bleiben, als eigenständige Mitgliedsstaaten. Das wäre natürlich ein Stoß hinterrücks ins Herz von Großbritannien, mit einem Dolch, den die Briten selbst geschliffen haben. Spanien, das Gibraltar schon länger zurückfordert, meldet sich nun auch und will die Insel jetzt aber wirklich wieder haben, liegen die Einwohner der Felseninsel doch nun gar nicht mehr mit den Briten auf einer Wellenlänge.
Die Briten und der Exit
Es gibt vieles, was einem an der EU nicht gefallen kann. Manche bürokratischen Entscheidungen über Glühlampen und Gurken lassen daran zweifeln, dass die EU-Politiker mehr sind als weltfremde Studierte, die in ihren einzelnen Ländern überflüssig geworden sind und irgendwo geparkt werden mussten. Andererseits stößt die EU viele wirtschaftliche, kulturelle und politische Initiativen an, die unserem Kontinent wirklich gut tun. Die EU ist keine perfekte Einheit, aber sie ist eine Einheit – und sie zu verlassen ist garantiert nicht der richtige Weg, um sie zu verbessern. Viele Wähler mögen sich aus Protest für den Brexit entschieden haben, leider ohne dabei zu bedenken, dass Großbritannien innerhalb der EU schon viele Sonderrechte genossen hat. Wenn sich ein Mitglied, dem man bereits ständig entgegengekommen ist, dann doch abwendet, schürt das wiederum Protest auf der anderen Seite. Die Scheidung zwischen Großbritannien und der EU könnte sehr schmutzig werden, ob nun mit Dolch oder ohne.
Wie konnte das überhaupt passieren? Es war kein wirklich fairer und rationaler Wahlkampf, der da zwischen Brexit-Gegnern und Brexit-Fans ablief. Es wurden auf beiden Seiten vor allem Ängste geschürt. Die Brexit-Gegner gingen mit der Drohung von schweren wirtschaftlichen Konsequenzen auf Stimmenfang, das andere Lager nutzte die Sorge vor Masseneinwanderung und Überfremdung für sich. Beide Parteien haben dabei die Wahrheit immer weiter gedehnt, bis von ihr nicht mehr viel übrig war. Letztlich haben so viele Politiker ihr politisches Überleben mit „In“ oder „Out“ verknüpft, dass wir vor allem einen knallharten Machtkampf gesehen haben. Es sind zumindest Zweifel daran erlaubt, dass der Großteil der Bürger wirklich noch wusste, worum es beim Brexit eigentlich geht, worüber eigentlich abgestimmt wurde. Welche Auswirkungen der Brexit nun tatsächlich haben wird, sehen wir in den kommenden Tagen, Wochen, Monaten und Jahren. Die Zukunft Europas scheint abstrakt gefährdet, viel realer scheint jedoch die Gefährdung für das Königreich Großbritannien zu sein.