Wer im Angebot von Amazon Prime vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr zu sehen glaubt, kann ganz beruhigt sein: Die französische Mysteryserie „Black Spot“, die im Original „Zone Blanche“ heißt, ist mit ihrer zweiten Staffel zu Netflix umgezogen. Das habe ich nicht erwartet, es schockt mich aber auch nicht. Bei den verschiedenen Streaming-Plattformen den Überblick zu behalten scheint dennoch schwieriger zu werden. So wurde kürzlich eine Unterschriftenaktion humorbefreiter Christen gegen die Amazon-Serie „Good Omens“ an Netflix geschickt.
Gegen die zweite Staffel von „Black Spot“ werden fundamentale Christen wohl nichts einzuwenden haben, wenn überhaupt könnten sich Anhänger des alten keltischen Glaubens angegriffen fühlen. Nach einer subtileren ersten Staffel, die bewusst vieles offen und vage hielt, tauchen die acht neuen Folgen tiefer in die Mythologie und Geschichte des Waldes von Villefranche ein. Es gibt nun viel mehr Eindrücke, die auf eine übernatürliche Präsenz schließen lassen. Existiert in dem Wald tatsächlich eine alte keltische Gottheit, die vor mehreren tausend Jahren bereits die Römer aus der Gegend vertrieb? Nicht wenig spricht dafür, doch Zweifel bleiben erlaubt. Viele Untaten erweisen sich als allzu menschlichen Ursprungs – und führen doch immer wieder in diesen verdammten Wald zurück.
Black Spot, Staffel 2: Die Ereignisse
Nach ihrer wundersamen Heilung wird Major Laurène Weiss (Suliane Brahim) von den Einwohnern Villefranches mit Misstrauen beäugt, was sie nicht daran hindert, früher als geplant in den Polizeidienst zurückzukehren, um in einem neuen Mordfall zu ermitteln. Das Opfer hatte als Kind im Wald den Schädel eines römischen Legionärs entdeckt. Bei ihren Nachforschungen stößt Laurène auf die schriftlichen Aufzeichnungen eines Römers, der 57 v. Chr. in Villefranche war und als einziger Legionär lebend nach Rom zurückkehrte. Er berichtet von einer keltischen Opferstätte. Laurènes Besessenheit, diese Stätte zu finden, die mit ihrer eigenen Entführung vor über 20 Jahren in Verbindung stehen könnte, bringt sie und ihren Kollegen Nounours (Hubert Delattre) in große Gefahr.
Villefranche kommt nicht zur Ruhe. Tödliche Bienenangriffe verbreiten ebenso Angst und Schrecken wie das irrationale Verhalten des Farmers Jonas (Fred Saurel), die Rückkehr eines wegen Mordes verurteilten Einwohners und der Tod eines Künstlers, der nicht war, was er vorgab zu sein. Kurz vor einem alten heidnischen Feiertag tauchen überall im Ort unheimliche Botschaften auf. Eine Treibjagd wird schließlich zum tödlichen Desaster.
Der Staatsanwalt Franck Siriani (Laurent Capelluto) sammelt weiterhin Beweise gegen die Familie Steiner, kann die Mauer aus Schweigen, Bestechung und Täuschungen aber nicht überwinden. Hilfe erhofft er sich von Delphine Garnier (Marina Hands), einer Mitarbeiterin des Umweltministeriums, mit der er eine Affäre beginnt. Unterdessen sucht Laurènes Tochter Cora (Camille Aguilar) nach dem vermissten Aktivisten Roman (Théo Costa-Marini) und enthüllt eine geheime Identität.
Black Spot, Staffel 2: Die Kritik
„Bitte lächeln, Sie sind in Villefranche“ begrüßt ein Schild die Menschen, die sich in den abgelegenen, von einem urtümlichen Wald umgebenen Ort vagen. Ein freundliches Gesicht kann niemals schaden, Grund zur Fröhlichkeit bietet Villefranche allerdings nur selten. Dafür sterben hier zu oft Menschen grausame Tode oder verschwinden spurlos. In der zweiten Staffel der atmosphärischen Serie stemmt sich wieder eine kleine Gruppe aufrechter, aber nichtsdestotrotz fehlerbehafteter und geplagter Menschen gegen die langen Schatten, die der Wald wirft. „Black Spot“ ist keine Serie über Heldentum, dafür sind die Charaktere zu menschlich, im Guten wie im Schlechten.
Die Hauptfigur Laurène Weiss, die ihrer eigenen Vergangenheit nachjagt, führt eine viel zu kleine Polizeitruppe an, die allenfalls Schadensbegrenzung betreiben kann. Sicherheit und Autorität auszustrahlen ist bei der geringen Mannschaftsgröße und schlechten Ausstattung beinahe unmöglich, der Dienst ist aufreibend, frustrierend und ungesund. Vom Rest Frankreichs wird Villefranche nahezu ignoriert, dabei ist dieser Ort bis in die tiefsten Wurzeln französisch.
Die Geschichte unseres Nachbarlandes Frankreich begann nicht erst mit dem Sturm auf die Bastille. Lange bevor die Franzosen berühmt für ihre Revolutionen und Baguettes wurden, lebten sie in keltischen Stämmen, die heidnische Götter verehrten, Rituale pflegten und Römer erschreckten. Alles, was Villefranche so unheimlich macht, scheint auf diese keltische Vergangenheit zurückzugehen. Dieser faszinierende Aspekt wurde bereits in der ersten Staffel angedeutet und wird nun deutlich vertieft. Es häufen sich die Momente, in denen wir bereit sind, an eine göttliche Macht im Wald zu glauben, um gleichzeitig den Zweifel zu spüren. Das Rätsel geht dabei weit über die simple Frage hinaus, ob es ein echtes Monster gibt oder sich nur ein Mensch als solches verkleidet. Wie hängen die Natur, die Tiere und die Menschen dieses Ortes zusammen? Beeinflussen die Mythen die Einwohner oder die Einwohner die Mythen? Dieses Unbestimmte, das uns in eine Richtung zu ziehen versucht, aber andere Wege offen lässt, ist sehr reizvoll.
Auch visuell und auditiv gelingt es der zweite Staffel der französischen Serie wieder, die Zuschauer regelrecht nach Villefranche zu entführen. Der Wald wird mit den Augen und den Ohren erlebbar, auf eine Weise, die uns mitunter grübeln lässt, ob wir uns gerade in einem Traum der Protagonisten oder in der Wirklichkeit befinden. Das Städtchen Villefranche selbst wirkt, als wäre es nur lose mit dem 21. Jahrhundert verbunden. Viele Gebäude und Fahrzeuge sind veraltet und verfallen, gepflegte Ecken gibt es nur wenige. Wohnen möchte ich dort nicht, aber es ist interessant anzuschauen.
Black Spot, Staffel 2: Das Fazit
So sehr ich amerikanische Serien mag, lerne ich die europäische Note in Mysteryproduktionen mehr und mehr zu schätzen. Sie wirkt dezent, frisch und atmosphärisch. Ich wäre gerne bereit, ein drittes Mal nach Villefranche zurückzukehren. Leider wurden weitere Episoden, Stand jetzt, noch nicht genehmigt.