Großbritannien steht seit dem Brexit immer wieder in den weltweiten Schlagzeilen. Lobeshymnen werden auf das Königreich dabei zunehmend seltener gesungen. Ich schaue mir derweil eine ganz andere Seite von Großbritannien an, die weiterhin viel Pracht und Ausstrahlung hat: die Wappen.
Die sechste Auflage von „Spass mit Wappen“ – oder sollte ich sagen „Fun with Coat of Arms“? – richtet den Blick auf die Insel. So gerne sich die Briten vom europäischen Festland distanzieren, hat sich das Wappenwesen im Vereinigten Königreich doch genauso entwickelt wie in Deutschland, Skandinavien, Frankreich und Co. Mit Großbritannien sind hier natürlich England, Wales, Schottland und Nordirland gemeint.
Fünf britische Wappen
Wappen von Tyrone
Tyrone ist wider Erwarten kein Charakter aus „Game of Thrones“, sondern eine der sechs historischen Grafschaften, genannt Counties, von Nordirland. Das Wappen der uralten Grafschaft zeigt zwei klassische Motive, wie sie nordirischer kaum sein könnten: das Keltenkreuz und die Red Hand of Ulster. Das im oberen Bereich dargestellte Keltenkreuz basiert als Wappenfigur auf den wirklichen Keltenkreuzen, die schon im frühen Mittelalter in (Nord-)Irland an vielen Orten aufgestellt wurden. Diese Orte galten zumeist als heilig und wurden für Versammlungen genutzt. Tyrone besitzt mit dem Donaghmore Kreuz ein bekanntes Keltenkreuz auf seinem Gebiet. Die rote Hand, die hier auf weißem Grund abgebildet ist, war ursprünglich das Symbol der Provinz Ulster, in der Tyrone liegt, und entwickelte sich mit der Zeit zu einem Symbol für das gesamte Nordirland. Es liegt quasi auf der Hand, dass es zu der blutroten Gliedmaße eine passende Legende gibt: Zwei Boote näherten sich der rauen Küste Nordirlands gleichzeitig. Die Kapitäne entschieden daher, dass demjenigen Ulster gehören soll, der zuerst seine Hand auf das Land legt. Daraufhin hackte sich einer der Kapitäne eine Hand ab und schleuderte sie auf das Land, bevor sein Kontrahent es erreichen konnte. Der verstümmelte Kapitän wurde so zum ersten Clanchef von Ulster und bewies Fingerspitzengefühl bei der Führung der Region, die ihn bis heute mit der Abbildung einer (blut-)roten Hand ehrt.
Wappen von Hastings
Ich war vor vielen Jahren in Hastings und habe dort mehrere Tage verbracht. Da ich mich bisher eigentlich nur Wappen von Orten gewidmet habe, an denen ich noch nicht persönlich gewesen bin, ist das schon eine Erwähnung wert. Auch sonst finde ich dieses Wappen recht interessant. Wir sehen im Alltag nicht wahnsinnig häufig Wesen, die halb Löwe und halb Boot sind. Das Wappen der englischen Stadt Hastings zeigt uns die drei durchaus vergnügten Löwen, die wir aus dem staatlichen Wappen Englands kennen und die namensgebend sind für die englische Fußballnationalmannschaft (Three Lions), wofür die Löwen aber wirklich nichts können. Die im englischen Inland eher unüblichen maritimen Hinterteile des obersten und des untersten Löwen verweisen auf Hastings Stellung als Hafenstadt. Damit wäre das Rätsel schon gelöst.
Wappen von Brechin
Beinahe so alt wie europäische Stadtwappen sind weltweite Klischees. Ein bekanntes Klischee besagt, dass Schotten ausgesprochen geizig sind. So geizig, dass sie zu Silvester einen Frosch aus dem Fenster werfen und mit den Türen knallen. Oder allesamt Blindenschrift lernen, um ohne Licht lesen zu können. Ich wage zu behaupten, dass der Durchschnitts-Schotte nicht mehr oder weniger geizig ist als Menschen anderer Länder. Was interessante Stadtwappen angeht, zeigt sich Schottland aber tatsächlich von einer eher sparsamen Seite. Auch das Wappen von Brechin, einem kleinen Ort in der schottischen Council Area Angus, kommt mit dezenten Stilmitteln aus. Es geht auf das Wappen des Lords of Brechin zurück und orientiert sich offenbar von der Symbolik her – rote Strahlen auf gelbem Grund – an der Sonne. Die geizt in Schottland ebenfalls ganz gerne mit sich.
Wappen von Ceredigion
Wir wagen uns nach Wales, genauer gesagt in den Verwaltungsbezirk Ceredigion. Hier haben wir es nun wieder mit einem recht abwechslungsreichen Wappen aus immerhin vier verschiedenen Motiven zu tun. Links oben erblicken wir den fast schon unvermeidlichen Löwen, der genau genommen gar kein Löwe ist. Im Wappenwesen wird er als gelöwter Leopard bezeichnet. Zur Zeit der Entstehung der Wappen wurden solche Unterscheidungen freilich noch nicht gemacht. Da war ein Löwe einfach ein Löwe. Rechts neben dem löwigen Leoparden oder leopardigen Löwen sehen wir einen Fisch, der tatsächlich laut sämtlicher Fachkreise ein Fisch ist. Bei ihm handelt es sich um ein ziemlich vielseitiges Symbol. Der Fisch hat eine lange Tradition als christliches Motiv mit Bezug zu Jesus Christus oder dem Heiligen Petrus. Als Erkennungszeichen des Christentums ist der Fisch sogar älter als das Kreuz. Darüber hinaus steht der Fisch für Verschwiegenheit und Gesundheit – wir sprechen ja gerne davon, „munter wie ein Fisch im Wasser“ oder „stumm wie ein Fisch“ zu sein. Oftmals verkörpert er aber schlicht und ergreifend die Fischerei. Links unten zeigt das Wappen von Ceredigion eine so genannte Garbe, ein Bündel aus Getreidehalmen. Sie nimmt, nicht überraschend, Bezug auf die Landwirtschaft. Um die Erläuterungen an dieser Stelle abzukürzen, ist das Wappen von Ceredigion einfach bestes mittelalterliches Marketing: „Wir sind stolz, bei uns gibt es richtig viel zu essen und es sieht super aus hier“.
Wappen von Derry
So ungern ich die Erinnerungen an das stressige Nachholen des Latinums während meines Studiums hervorkrame, so wird das auf dem Wappen von Derry in Nordirland abgedruckte Stadtmotto „Vita, Veritas, Victoria“ tatsächlich mit „Leben, Wahrheit, Sieg“ übersetzt, wenngleich das wohl auffälligste Motiv des Wappens, das sitzende Skelett, nicht so recht dazu zu passen scheint. Viel Leben steckt in einem Skelett naturgemäß nicht und statt siegreich sieht es eher gelangweilt aus. Angeblich verweist das Skelett, das im Volksmund „Walter“ genannt wird, auf einen Cousin des Barons Richard de Burgh, der von diesem legendären Herrscher lebendig eingemauert wurde. Das entsprechende Familienschloss des Grauens ist im Hintergrund zu sehen. An dieser Legende kann etwas dran sein, muss aber nicht. Skelette, Totenköpfe oder einfach Gebeine tauchen auf mittelalterlichen Wappen nicht allzu häufig auf, dürfen aber als Symbole für Vergänglichkeit verstanden werden.
Vorschau
Für erste heißt es wieder Goodbye und Thank You. Das nächste Mal schauen wir uns einige Wappen an, die wie das Wappen von Derry in Nordirland doch ein wenig skurril und ungewöhnlich sind. Eine leichte Wölbung der Augenbrauen nach oben oder ein geschmeidiges „Häh?“ wissen diese Wappen durchaus zu entlocken.