Bei einer Fußballweltmeisterschaft geht es um viel. Um viel Prestige, um viel Begeisterung und um viel Geld. Was davon wichtiger ist, liegt mitunter in der politischen, wirtschaftlichen oder kulturellen Situation eines Landes begründet. Eine Mannschaft kann dabei schnell selbst zum Spielball werden.
„Weltmeister“ klingt einfach verdammt gut, das möchte jeder mal sein. Nicht nur die Fußballer selbst, auch die Leute vor dem Fernseher. Mit einem Weltmeistertitel lässt sich ein nicht unerheblicher Teil des Volkes zumindest für einige Zeit sehr gut zufriedenstellen oder zumindest ablenken. Jede Regierung sonnt sich gerne im Erfolg „ihrer“ Fußballmannschaft, schließlich ist dies eine Form der Bestätigung: „Seht ihr Leute, wir können nicht so übel sein, wir bringen die besten Fußballer der Welt hervor. Ach übrigens, die Steuern werden erhöht!“ Andererseits können viele Fußballverbände auf Ansehen verzichten, auf Geld hingegen nicht. Vom Jubel der Massen bekommt man kein größeres Haus oder schnelleren Wagen. Dann sind da noch die diversen Nebenmächte: Sponsoren, die viel Geld reinpumpen, das sie auch wieder herausbekommen wollen, Medien, die sich um Exklusivrechte streiten, der Einzelhandel, der Fanartikel verkaufen will … Wer es jetzt noch immer nicht mitbekommen hat: nach dieser Einleitung steht ihr auf dem perfekten Nährboden für Verschwörungstheorien.
Das Rätsel um Ronaldo
Bevor der portugiesische Ronaldo die Fußballwelt aufmischte, war da der brasilianische Ronaldo, der die Rolle eines Superstars einnahm. 2002 wurde er mit seiner Nationalmannschaft in Japan/Südkorea Weltmeister. Er selbst erzielte im Finale gegen Deutschland die beiden Treffer zum Sieg und war der viel umjubelte Held. Vier Jahre zuvor hatte sich ein ganz anderes Bild geboten, das bis heute von vielen Gerüchten und Spekulationen umrankt ist. Vor dem Finale der Weltmeisterschaft 1998 gegen Gastgeber Frankreich wurde Ronaldo ins Krankenhaus eingeliefert, sein Einsatz in der entscheidenden Partie schien ausgeschlossen. Zur Überraschung aller stand er dann doch auf dem Rasen und zeigte nach einem bis dahin starken Turnier eine ganz schwache Leistung. Brasilien ging mit 0:3 baden. Viele Menschen können die Geschehnisse um Ronaldo und das Versagen der „Seleção“ im Finale gegen Frankreich bis heute nicht verstehen. Was war da los?
2001 wurde in Brasilien ein Untersuchungsausschuss eingerichtet, so sehr bewegte das verlorene Finale die Gemüter in Brasilien und so besorgniserregend waren die Theorien. Eines der bekanntesten Gerüchte besagt, dass Ronaldo in seinem Zustand nie hätte spielen dürfen, sein Sponsor, der Sportartikelhersteller Nike, jedoch auf seinen Einsatz drängte. Der brasilianische Fußballverband und Nike hatten einen Vertrag über 160 Millionen US-Dollar abgeschlossen, mit Ronaldo als Mittelpunkt aller gemeinsamen Kampagnen. 160 Millionen Gründe, einen erkrankten Spieler aufs Feld zu schicken? Wenn dem so war, stellt sich immer noch die Frage, worunter Ronaldo litt. Wurde er vergiftet? Haben ihn die Franzosen vielleicht unter Drogen gesetzt? Es ist prinzipiell immer eine reizvolle Option, eine Niederlage mit heimtückischen und feigen Machenschaften des Gegners zu begründen.
Wo es eine Verschwörungstheorie gibt, ist auch der Vorwurf der Bestechlichkeit nicht weit und so hält sich ebenfalls die Theorie, dass Brasilien das Finale freiwillig abgeschenkt hat, um im Gegenzug die WM 2014 im eigenen Land ausrichten zu dürfen. War Ronaldo also womöglich gar nicht krank oder wurde er von den eigenen Leuten vergiftet? Sollte diese gewagte These zutreffen, war das angesichts der krachenden Niederlage Brasiliens im Halbfinale der Heim-WM 2014 gegen Deutschland ein verdammt mieser Deal. Manche sehen Ronaldo überhaupt nicht als Opfer und vermuten, er allein habe sich von der Wettmafia bestechen lassen und absichtlich schlecht gespielt, mit der Erkrankung als Cover-Story.
Über das Finale 1998 zwischen Brasilien und Frankreich mit einem ganz schwachen Ronaldo darf weiter diskutiert werden, denn auch der Untersuchausschuss konnte keine klaren Antworten liefern. Möglicherweise gibt es die überhaupt nicht. Schlechte Leistungen sind nicht immer erklärbar.
200.000 Dollar und ein Ausrutscher
Auf dem Weg zum Weltmeistertitel 1982 in Spanien bekam es Italien in der Vorrunde unter anderem mit Kamerun zu tun. Ein 1:1 gegen das afrikanische Team reichte Italien zum Weiterkommen. Kamerun schied zwar aus, aber erhobenen Hauptes. Mehr als 30 Jahre später begannen sich plötzlich einige Menschen zu fragen, ob bei diesem Spiel alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Eine neue Verschwörungstheorie erhielt den Raum zur Entfaltung. Sie lautet so: der italienische Verband bot den Spielern Kameruns 20.000 Dollar für ein schiedlich-friedliches 0:0 an. Dummerweise rutschte der Kameruner Torwart Thomas N‘Kono in einer Szene unglücklich aus, so dass Italien in Führung ging. Um das abgesprochene Unentschieden zu retten, ließ Italien den Gegentreffer, der keine Minute später fiel, absichtlich zu. Die Partie endete 1:1.
Diese Verschwörungstheorie offenbart die klassische Vorstellung vom reichen europäischen Team, das gerne die Brieftasche öffnet, um einer Blamage zu entgehen, und der armen afrikanischen Mannschaft, die ohne zu zögern die Hand aufhält. Am Ende fehlen vor allem die Beweise.
Getreide für Tore
Bekannter und heißer diskutiert als das Duell zwischen Italien und Kamerun war jenes zwischen Argentinien und Peru bei der WM 1978. Gastgeber Argentinien schlug Peru und zog ins Finale ein, das gegen die Niederlande siegreich gestaltet werden konnte. Damals spielten 16 Mannschaften in vier Vierergruppen. Die Gruppensieger und Gruppenzweiten zogen in die zweite Finalrunde ein. Dort wurde in zwei Vierergruppen gespielt. Die beiden Gruppensieger bestritten das Finale und die beiden Gruppenzweiten spielten um den 3. Platz. Argentinien benötigte in der zweiten Finalrunde gegen Peru einen Sieg mit mindestens vier Toren Unterschied, um Brasilien hinter sich zu lassen. Argentinien gewann 6:0. Bald kamen Gerüchte auf, dass der Staat Argentinien, in dem damals eine Militärdiktatur herrschte, Peru viel Geld und eine große Menge kostenloses Getreide dafür geboten hat, mindestens 4 Tore zuzulassen.
Die Umstände dieses Spiels sind ein wenig verdächtig, das kann man kaum bestreiten. So wurde die Partie erst nach Austragung der Begegnung zwischen Brasilien und Polen angesetzt, so dass die Argentinier auf den Treffer genau wusste, wie sie an den Brasilianern vorbeiziehen können. Einzelne Spieler Perus äußerten die Vermutung, dass ihre Kollegen sich hatten bestechen lassen und berichteten von Kontakten zwischen der Mannschaft und dem Peruanischen Staatschef im Vorfeld der Partie. Einer undemokratischen Regierung wie jener, die damals in Argentinien herrschte, traute und traut man solche Maßnahmen auch eindeutig zu. Die unzweifelhafte Schuld ist damit aber noch lange nicht festgestellt.
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