Die gefeierte Mörderin: „Alias Grace“

Basierend auf Margaret Atwoods gleichnamigen Roman, der wiederum von wahren Ereignissen inspiriert wurde, entführt uns die Miniserie „Alias Grace“ ins Kanada des 19. Jahrhunderts und erzählt uns die undurchsichtige Geschichte des Hausmädchens Grace Marks, das beschuldigt wird, ihre beiden Arbeitgeber ermordet zu haben. Ist sie eine eiskalte Killerin, ein naives Mädchen, eine große Verführerin oder nur eine Verrückte? Das soll ein amerikanischer Psychiater herausfinden.

Alias Grace

Der Ruhm einer Bluttat

Die Handlung setzt mehr als 10 Jahre nach dem Doppelmord ein. Grace Marks (Sarah Gadon) ist im Hochsicherheitsgefängnis Kingston Penitentiary inhaftiert, darf aber als „gefeierte Mörderin“ täglich einige Stunden im Haus des Gefängnisdirektors verbringen. Ein Komitee, das an ihre Unschuld glaubt, hat den amerikanischen Psychiater Dr. Simon Jordan (Edward Holcroft) damit beauftragt, ein Gutachten über Grace zu erstellen. Er lässt sich von ihr ihre Geschichte erzählen, die geprägt ist von weiblicher Unterdrückung.

Alias Grace: Die Ereignisse

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Szene aus „Alias Grace“. Quelle: CBC Television

Grace erzählt Dr. Jordan zunächst von ihrer dramatischen Überfahrt von Irland nach Kanada, dem Tod ihrer Mutter und ihrer ersten Anstellung als Hausmädchen bei der wohlhabenden Familie Parkinson. Dort freundet sich Grace mit einem anderen Hausmädchen, Mary Whitney (Rebecca Liddiard), an. Marys tragisches Schicksal wird zu einem Wendepunkt in Graces Leben, die bald darauf Arbeit bei dem alleinstehenden Gutsbesitzer Thomas Kinnear (Paul Gross) findet, der ein skandalöses Zusammenleben mit seiner Angestellten Nancy Montgomery (Anna Paquin) pflegt. Sechs Monate nach Graces Ankunft sind Nancy und Mr. Kinnear tot und der Farmarbeiter James McDermott (Kerr Logan) wurde als Graces vermeintlicher Komplize an den Morden gehängt.

Grace wird zunächst ebenfalls zum Tode verurteilt, ehe das Gericht ihre Strafe in eine lebenslange Haft umwandelt. Nach und nach versucht Dr. Jordan zu ergründen, ob Grace die Anstifterin der Morde war, wie McDermott in seinem Geständnis behauptet hat, oder Grace von McDermott gezwungen wurde, mit diesem zusammen die Verbrechen zu begehen. Dabei gerät Dr. Jordans eigene Psyche durch seine Faszination für Grace mehr und mehr aus dem Gleichgewicht.

Alias Grace: Die Kritik

Den Roman habe ich nicht gelesen, insofern kann ich die literarische Vorlage und diese Miniserie, die seit November 2017 bei Netflix abrufbar ist, nicht miteinander vergleichen. „Alias Grace“ verknüpft die Gegenwartshandlung mit Rückblicken in die Zeit kurz vor, während und nach den Verbrechen, die 1843 stattfanden. Graces Geschichte ist ein Puzzle, das sich für uns Zuschauer ebenso Stück für Stück zusammensetzt wie für den Charakter Dr. Jordan. Die einzelnen Teile dieses Puzzles sind für sich genommen nicht schwer zu interpretieren, aber das Gesamtbild erscheint nicht klar. Haben Armut, Gewalt, Verlust und sexuelle Unterdrückung aus Grace eine Mörderin gemacht oder ein leichtes Opfer? Hat sie eine geistige Störung davongetragen oder agiert sie berechnend und manipulativ? Dr. Jordan beneidet sich selbst am wenigsten darum, dies entscheiden zu müssen.

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Szene aus „Alias Grace“. Quelle: CBC Television

Grace ist ein faszinierender Charakter, der in gleichem Maße Mitleid wie Misstrauen weckt. Das spannende Zusammenspiel zwischen ihr und Dr. Jordan wird getragen von vielen kleinen Gesten und Momenten. Am Ende ist wohl die größte Frage, die im Raum steht, die, ob Grace dem Psychiater die Wahrheit erzählt oder nur das, was er hören will, damit er in ihrem Bann und damit bei ihr bleibt.

Die Miniserie wirft einen dramatischen Blick auf die Rolle der Frauen aus der Unterschicht in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Diese Frauen waren mächtigen Männern hilflos ausgeliefert. Dass dies heute teilweise noch immer so ist, zeigen die aktuellen Missbrauchsskandale in Hollywood, angestoßen durch die Vorwürfe gegen den Produzenten Harvey Weinstein. Zu Grace Marks Lebzeiten waren Frauen aber wesentlich machtloser und konnten ins völlige Verderben gestürzt werden. Wie viel Wut sich dadurch in so manchen Frauen angestaut haben muss, lässt diese Serie erahnen.

In Bezug auf die historische Korrektheit bleibt festzuhalten, dass Grace Marks tatsächlich existiert hat. Sie war für die Morde an Thomas Kinnear und Nancy Montgomery im Kingston Penitentiary inhaftiert. Einige Szenen von „Alias Grace“ wurden an diesem düsteren Originalschauplatz gedreht. Dr. Simon Jordan ist hingegen ein fiktiver Charakter.

Alias Grace: Das Fazit

Die Miniserie „Alias Grace“ spinnt eine interessante, puzzleartige Geschichte um einen historischen Kriminalfall und kann vor allem durch die beiden Hauptcharaktere und ihr Zusammenspiel punkten.

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