Halloween ist das Fest der Toten. Viele Menschen werfen sich zu diesem Anlass in mehr oder weniger schaurige Kostüme, verstümmeln wehrlose Kürbisse und futtern haufenweise Schokolade, die sie ihren Nachbarn gegen Androhung von „Saures“ abgerungen haben. Ich für meinen Teil feiere Halloween mit sechs grotesken, aber wahren Geschichten rund um den Tod und die Toten. Sechs Geschichten, die viele Menschen lieber nicht kennen würden. Also seid gewarnt …
Bei näherer Betrachtung habe ich in den letzten Wochen und Monaten einige durchaus schaurige Geschichten in diesem Blog aufgegriffen – Geschichten von mörderischen Vampiren, unheimlichen Wäldern und blutigen Exekutionen. Halloween mag nur einmal im Jahr sein, aber Zeit, sich mit den dunklen Seiten der Welt zu befassen, ist eigentlich immer. Nun denn, Halloween bleibt dennoch ein besonders guter Anlass für die bizarren Geschichten, die das Leben schrieb – oder besser der Tod.
Sechs groteske Todesfälle/Totenfälle
Der mumifizierte Clown
Im California Institute of Abnormalarts, einer Mischung aus Nachtclub und Museum im Norden Hollywoods, zählt der Clown Achile Chatouilleu zu den großen Attraktionen. Er ist keiner jener Horrorclowns, die dieser Tage überall ungefragt ihr Unwesen treiben, sondern schlichtweg tot. Der mumifizierte Körper mit geschminktem Gesicht und im Clownskostüm kann von jedem besichtigt werden, der zufällig gerade in Los Angeles unterwegs ist und sonst schon alles gesehen hat. Achile Chatouilleu, der 1912 an einer Nierenentzündung starb, soll kurz vor seinem Tod darum gebeten haben, in seinem Clown-Dress einbalsamiert zu werden. Ob es dabei sein Anliegen war, in einem Glassarg in Hollywood als Attraktion einer semi-professionellen Freakshow zu enden, kann zumindest hinterfragt werden. Grundsätzlich ist umstritten, ob es sich bei der Clown-Mumie wirklich um den echten Achile Chatouilleu handelt. Laut den Betreibern des California Institute of Abnormalarts natürlich schon.
Wie gruselig ist das denn? Eigentlich finde ich es eher traurig. Kein Mensch sollte nach seinem Tod als groteske Zirkusnummer enden und von Leuten angegafft werden, die einfach nur einen toten Clown sehen wollen. Oder überhaupt einen Toten. Ägyptische Mumien werden zwar ebenfalls in Museen ausgestellt, allerdings respektvoll und unter Vermittlung fundierter wissenschaftlicher Erkenntnisse sowie historischer Hintergründe. Es hat nichts mit Forschung zu tun, einen toten Körper deshalb auszustellen, weil er geschminkt und kostümiert ist.
Gatton Mystery
Im Dezember 1889 wurden nahe der australischen Stadt Gatton die Leichen der Geschwister Michael (29 Jahre), Norah (27) und Theresa (18) gefunden. Sie waren geschlagen und gewürgt worden; auf Michael wurde außerdem geschossen. Die drei toten Körper waren zu einem Dreieck angeordnet, ihre Beine nach Westen ausgerichtet. Eine solche Szenerie ist bis heute einzigartig in der australischen Kriminalgeschichte und wirft viele Fragen auf. Die damalige Polizei war völlig überfordert und konnte nicht verhindern, dass zahlreiche Schaulustige den ungewöhnlichen Tatort völlig durcheinanderbrachten. Der oder die Täter wurden nie identifiziert. Gleichwohl gab es mehr als nur ein paar „Hinweise“: Hunderte Briefe von Menschen, die behaupteten, den Fall durch Visionen, Träume oder andere übernatürliche Mittel gelöst zu haben, trafen aus dem In- und Ausland ein und sind bis heute archiviert. 1900 nahm sich ein Mann namens Thomas Furner, der nicht weit vom Tatort entfernt gewohnt hat, durch einen Kopfschuss das Leben. Er soll kurz vor seinem Tod gestanden haben, bei dem Dreifachmord dabei gewesen zu sein und seitdem unter Alpträumen gelitten zu haben. Bis heute beschäftigt der Fall australische Autoren, Forensiker und Historiker.
Wie gruselig ist das denn? Ungelöste Kriminalfälle der Gegenwart schockieren und ängstigen uns, weil die Gefahr sehr groß ist, dass der oder die Täter erneut zuschlagen und wir außerdem mit den Angehörigen mitfühlen können. Lange zurückliegende Verbrechen haben zumeist eine etwas andere Wirkung. Sie erscheinen uns surrealer, mysteriöser, oft mit einer gewissen übernatürlichen Note behaftet, obwohl es auch für sie wohl sehr menschliche Erklärungen gibt, die nur leider nie gefunden wurden.
Unsterbliche Liebe
Georg Carl Tänzler aus Dresden wanderte 1927 in die USA aus und nannte sich dort Dr. Carl Graf von Cosel. Obwohl er vermutlich nie ein Medizinstudium absolviert hatte, fand er eine Anstellung als Radiologe und Bakteriologe in Florida. 1930 verliebte er sich in die Tuberkulosepatientin Maria Elena Milagro de Hoyos, meist Elena genannt, und versuchte alles, um sie von ihrer schweren Erkrankung zu heilen, jedoch vergeblich. Sie starb am 25. Oktober 1931 im Alter von 22 Jahren. Tänzler bezahlte ihre Beerdigung und besuchte ihr Mausoleum jede Nacht. Im April 1933 stahl er schließlich die Überreste von Elena, setzte die Knochen mit Drähten zusammen und formte das Gesicht mit Wax und Glasaugen. Aus ihrem echten Haar, das ihre Familie aufgehoben hatte, nähte er eine Perücke. Mit allen Mitteln sorgte er für den Erhalt des Körpers, den er auch einkleidete und mit dem er in einem Bett schlief, bis 1940 Elenas Schwester Verdacht schöpfte. Der selbst ernannte Arzt wurde wegen Leichenschändung verhaftet und Elenas Leichnam nach einer Untersuchung zunächst für einige Tage ausgestellt, ehe er an einem unbekannten Ort erneut bestattet wurde. Tänzler schrieb später ein Buch über seine Geschichte mit dem Titel „The Secret of Elena’s Tomb“. Er starb 1952 – mit einer Nachbildung von Elenas Gesicht in seinen Armen.
Wie gruselig ist das denn? Einen gewissen Schauerlichkeitsfaktor kann ich dieser Begebenheit nicht absprechen. Kein Wunder, dass sie im Laufe der Zeit einige Male Vorlage für Romane und Songs war. Diese Geschichte hat – wahnsinniger Arzt, toter Körper – etwas Frankenstein-eskes an sich. Es ist die Geschichte einer krankhaften Obsession, die die Grenzen dessen, was wir als normal, anständig und richtig empfinden, weit sprengt. Obwohl die Fakten im Wesentlichen bekannt sind, gibt es einige Unstimmigkeiten darüber, wie Maria Elena Milagro de Hoyos zu Lebzeiten zu dem um sie werbenden Carl Tänzler stand. In einigen Quellen heißt es, sie habe zwar seine vielen Geschenke angenommen, einen Heiratsantrag von ihm aber abgelehnt. Wieder andere Quellen behaupten, die beiden hätten kurz vor ihrem Tod geheiratet, was aber insofern zweifelhaft ist, dass beide offiziell mit anderen Partnern verheiratet waren.
Der Thron des Todes
Im Jahr 1057 ließ Andreas I. seinen Sohn Salomon zum König von Ungarn krönen, was Andreas‘ jüngerer Bruder Béla I. überhaupt nicht gut fand, weil er selbst den Thron erben wollte. Daher zog er gegen seine Verwandten in den Krieg, aus dem er schließlich siegreich hervorging. Andreas erlitt in der Schlacht schwere Verletzungen und starb; sein Sohn Salomon floh nach Deutschland (damals noch bekannt als Heiliges Römisches Reich). Bélas blutig eroberte Herrschaft lief nicht wirklich rund. Sein Neffe Salomon blieb eine ständige Bedrohung und das Volk konnte mit den Reformplänen des neuen Königs wenig anfangen. Im Jahr 1063 kam es zur ultimativ-ironischen Katastrophe: Der Thron, um den Béla so gekämpft hatte, brach zusammen, als der König gerade darauf saß. Béla erlag wenig später den dabei erlittenen Verletzungen, was letztlich dazu führte, dass der vertriebene Salomon zurückkehren und die Krone wieder an sich nehmen konnte. Vermutlich ließ er sich einen stabileren Thron bauen.
Wie gruselig ist das denn? Nein, wirklich gruselig ist das nicht, dafür aber ziemlich ironisch. Eigentlich schade, dass die meisten der Millionen von Zuschauern, die „Game of Thrones“ weltweit hat, diese Geschichte nicht kennen. Da tötet man seinen eigenen Bruder für einen Thron, der einem dann unter dem Hintern zusammenbricht und ins Jenseits befördert. Garniert mit Salomon als lachendem Dritten ist das doch wirklich eine filmreife Story.
Die lange Reise von Elmer McCurdy
Der ehemalige Soldat Elmer McCurdy geriet nach seiner Armee-Zeit auf die schiefe Bahn, überfiel Züge und Banken und wurde schließlich 1911 im Alter von 31 Jahren bei einem Schusswechsel getötet. Damit war seine Reise aber noch lange nicht beendet. Da keine Angehörigen den Leichnam beanspruchten und somit niemand für die Beerdigungskosten aufkam, entschied der Bestatter Joseph Johnson, den Körper zu mumifizieren und auszustellen. Für 5 Cent konnten Besucher den „einbalsamierten Banditen“ – wahlweise auch als „Bandit, der nie aufgeben würde“ oder „Oklahoma Outlaw“ betitelt – besichtigen. Johnson verdiente nicht schlecht an seiner Attraktion. Fünf Jahre später tauchten zwei Männer auf, die behaupteten, McCurdys Brüder zu sein und nahmen den Leichnam mit. Die beiden waren Brüder, allerdings nicht die von Elmer McCurdy. Sie hießen James und Charles Patterson und besaßen einen Zirkus, für den sie die Leiche nun wie zuvor der Bestatter als Attraktion verwendeten. In den folgenden Jahrzehnten wechselte der tote Räuber seine Unruhestätte mehrfach. Er wurde 1933 unter anderem in der Lobby eines Kinos ausgestellt und diente 1967 als Filmrequisit. Mit der Zeit war in Vergessenheit geraten, dass es sich um einen echten Leichnam handelte und nicht nur um eine Wachsfigur. Dies kam erst 1976 wieder ans Licht, als eine Folge der Serie „Der Sechs Millionen Dollar Mann“ in einem Vergnügungspark gedreht wurde. Dabei brach die Crew versehentlich den Arm der „Puppe“ ab und legte dadurch Knochen und Muskelgewebe frei. Am 22. April 1977 wurde Elmer McCurdy nach einer sehr langen Reise in Guthrie, Oklahoma beerdigt.
Wie gruselig ist das denn? Elmer McCurdy war nicht gerade ein anständiger Mensch, aber hat er es deshalb verdient, dass sein Leichnam 60 Jahre lang als Gegenstand herumgereicht, eingelagert, ausgestellt und beschädigt wird? Eher nicht. Es ist schon eine gruselige Vorstellung, dass so etwas mit einem Menschen nach seinem Tod geschehen kann und dass viele Leute diese vermeintliche Wachsfigur gesehen und angefasst haben, ohne zu ahnen, dass es sich um einen echten Leichnam handelte, der längst hätte beerdigt werden sollen.
Tod von oben
Aischylos zählt zu den drei großen Dichtern der griechischen Tragödie, dessen Stücke bis heute aufgeführt werden. Die größte Tragödie war allerdings sein Tod, der tragisch-komischer kaum sein könnte. Es geschah im Jahr 456 v. Chr. in Gela, einer Stadt in Sizilien. Ein Orakel weissagte Aischylos, dass er beim Einsturz eines Hauses sterben würde. Klug, wie er war, beschloss Aischylos daher, sich nicht in einem Haus aufzuhalten, sondern sich auf die Felder zurückzuziehen. In dieser ländlichen Idylle flog ein Adler mit einer Schildkröte im Schnabel über ihm hinweg, mit dem Vorhaben, seine Beute auf einem Felsen zerschellen zu lassen, um ihren Panzer zu brechen und an ihr Inneres zu gelangen. Der Vogel verwechselte Aischylos‘ Glatze von oben mit einem Stein, ließ die Schildkröte fallen und erschlug damit den griechischen Dichter.
Wie gruselig ist das denn? Für Menschen mit dünnem bis nicht vorhandenem Haupthaar ist dies sicher eine absolute Horrorgeschichte. Ob sich alles wirklich ganz genau so zugetragen hat, einschließlich der Weissagung, lässt sich nach weit über 2000 Jahren schwerlich verifizieren, aber so steht es über Aischylos‘ Ableben geschrieben. Unglaublich, wie viel Pech man haben kann – als Mensch, als Schildkröte und als Adler.
Hat mich sehr unterhalten und den Fall mit Elmer McCurdy finde ich echt gruselig.
LG, Tina
Wahre Geschichten sind im Endeffekt immer die unheimlichsten.