Es beginnt schon früh morgens mit dem Klingeln des Weckers. Wir öffnen unsere Augen, heben leicht unseren Kopf und hören, wie er schreit. Niemand außer uns vernimmt seine Worte: „Bleib liegen!“ ruft er „dreh dich nochmal um!“ Wir würden gerne auf ihn hören, so verdammt gerne, aber wir wissen, dass es nicht geht. Wir müssen ihn zum Schweigen bringen, ihn um jeden Preis besiegen. Der innere Schweinehund darf nicht gewinnen!
Das Leben führt uns in Versuchung und stellt uns vor manchmal erschreckende oder frustrierende Herausforderungen. Unsere Sprache zeugt davon. Sie ist gespickt mit dämonischen Metaphern, die uns eine Lehre sein, uns zur Wachsamkeit aufrufen, aber auch unsere Vorstellungskraft beflügeln sollen. Allein der Teufel, das christliche Sinnbild des Bösen, hat sehr viel Platz in unserer Ausdrucksweise. Er wird dabei begleitet von Gespenstern und Dämonen. Der innere Schweinehund zählt tatsächlich noch zu den harmloseren Exemplaren.
Des Teufels viele Gesichter
Der Volksmund rät uns, öfter mal zu schweigen, denn „wenn man vom Teufel spricht …“ Diese Redensart, mit der wir im Alltag auf das Erscheinen einer Person reagieren, über die wir uns gerade noch verbal ausgelassen haben, geht zurück auf den Aberglauben, dass der Höllenfürst persönlich zu Besuch kommt, sobald man seinen Namen nennt. Ein uns mindestens flüchtig bekannter Mensch, denn sonst könnten wir ja nicht über ihn reden, wird also mit dem Teufel gleichgesetzt, was allerdings nicht zwangsläufig bedeutet, dass sein Auftauchen als unerfreulich oder unpassend empfunden wird. Die Gleichsetzung von Mensch und Teufel ist in der deutschen Sprache ein häufiges und mehrdeutiges Phänomen. Als „leibhaftigen Teufel“ bezeichnen wir eine Person, die wir als sehr böse und gefährlich ansehen, einen „Teufelskerl“ hingegen bewundern wir für seinen Mut. Um es anschaulicher auszudrücken: Wer Brände legt, ist für uns ein Teufel, wer mit dem Motorrad über ein Feuer springt, ist ein Teufelskerl. Irgendwo zwischen dem leibhaftigen Teufel und dem Teufelskerl steht ganz alleine der „arme Teufel“, eine traurige, geschlagene Gestalt, die nur noch Mitleid erregt. Der Ausdruck basiert auf der im 16. und 17. Jahrhundert verbreiteten Tradition, den Höllenfürsten in Fastnachtsspielen als Dummkopf und Versager darzustellen – als armen Teufel eben.
Auch wer gelegentlich über den Teufel spricht, muss ihm deswegen nicht gleich ein künstlerisches Denkmal setzen. Man sollte nie den „Teufel an die Wand malen“. Wer das tut, geht vom Schlimmsten aus und beschwört das Unheil geradezu herauf. Der Ursprung dieser Redewendung liegt ebenfalls in der Vorstellung, der Teufel könne durch die Aussprache seines Namens oder durch eine bildliche Darstellung seiner Selbst angelockt werden. Die Angst, den Teufel versehentlich einzuladen, war im Mittelalter groß. Daraus entstand der Brauch, die Segensformel C+M+B über Eingangstüren anzubringen. C+M+B gilt als Abkürzung des lateinischen Ausdrucks „Christus mansionem benedicat“, zu Deutsch: „Christus segne dieses Haus.“ Bis heute schreiben die Sternsinger diese Buchstabenkombination traditionell am 6. Januar mit Kreide (oder Aufklebern) an Hauswände, um den Teufel abzuhalten. Der Segensspruch gilt übrigens nicht für soziale Medien, also immer schön darauf achten, bei Facebook keine öffentlichen Einladungen zu posten.
Als die Heimat des Teufels kennen wir die Hölle, über deren Innenausstattung wir wenig wissen. Wirklich von Interesse ist für uns ohnehin nur eine Räumlichkeit des Teufels: seine Küche. Niemand von uns möchte gerne „in Teufels Küche kommen“, denn dort warten nichts als Probleme. Die sprichwörtliche „Teufels Küche“ steht für Schwierigkeiten oder sogar Gefahren, in die man sich selbst oder andere Menschen bringen kann. Wie fast alle Teufelsmetaphern geht diese ebenfalls auf das abergläubische und nicht sonderlich optimistische Mittelalter zurück. Aus der Vorstellung der verdammt heißen Hölle, in der die Menschen förmlich im eigenen Saft schmoren, hat sich das Bild der „Teufels Küche“ entwickelt.
Ein bekanntes Hauptgericht der Teufels Küche ist der „Satanbraten“ oder „Teufelsbraten“. So wurde früher eine Person bezeichnet, die anderen Menschen bewusst Schaden zufügte. Diese Taten zu Lebzeiten holten den „Satansbraten“ nach seinem Ableben – so der Glaube (und die Hoffnung) – wieder ein und brachten ihn in des Teufels Küche, wo er bei ca. 666 Grad Celsius ordentlich Bräune bekommen sollte. Die Bezeichnung „Satansbraten“ oder „Teufelsbraten“ war somit eine Vorhersage des zukünftigen Schicksals einer gemeinen, hinterhältigen Person. Heute werden beide Ausdrücke, wobei die Bezeichnung „Satansbraten“ gängiger ist, nicht mehr so negativ, sondern in der Bedeutung „Schlingel“ verwendet, häufig für freche Kinder.
Wir gegen uns selbst
Die Wahrheit ist, dass es uns meist ganz gut gelingt, den bereits angesprochenen „inneren Schweinehund“ zu besiegen. Er verkörpert unsere Faulheit, unsere kleineren Ängste und Abneigungen. Mit seinem Ringelschwanz und seiner Hundeschnauze sieht er sogar ganz putzig aus. Viel schwieriger lassen sich die sprichwörtlichen „inneren Dämonen“ bezwingen, deren Fratzen deutlich unheimlicher sind. Bei diesen Dämonen in uns selbst handelt es sich um starke negative Gefühle, die uns bremsen oder auf Abwege führen. Angst, Wut und Neid können starke innere Dämonen sein, ebenso wie die Eifersucht, welche William Shakespeare nicht ohne Grund als „grünäugiges Monster“ tituliert hat. Diese Metapher ist bis heute bekannt und versinnbildlicht, dass Eifersucht gefährlich wie ein Ungeheuer und bitter wie Galle ist.
So manche inneren Dämonen werden genährt von den „Geistern der Vergangenheit“, schmerzhaften Erinnerungen, die ein Mensch nicht abschütteln kann, oder unangenehmen Überbleibseln früherer Jahre, die sich auf die Gegenwart und die Zukunft auswirken. Auch Die Geister, die ich rief wird niemand so schnell wieder los. Dieser Ausdruck aus Johann Wolfgang von Goethes Werk „Der Zauberlehrling“ umschreibt eine Handlung oder eine Äußerung, die sich verselbstständigt und ungewollte Vorgänge auslöst, die nicht zu stoppen sind. Heute werden solche gerufenen Geister gerne mit einem ordentlichen Shitstorm garniert, aber das können wir Goethe nun wirklich nicht ankreiden.
Ein bisschen überraschend zählt der Alltag zu den besonders teuflischen Aspekten unseres Lebens. Laut des französischen Schriftstellers Honoré de Balzac muss der Mensch in der Ehe „einen unaufhörlichen Kampf gegen ein Ungeheuer führen, das alles verschlingt: die Gewohnheit“. „Das kälteste aller kalten Ungeheuer“ aber ist der Staat, sagte einst Friedrich Nietzsche.
Abschließen möchte ich, ohne es weiter zu kommentieren, mit einem alten englischen Sprichwort: „Eine Frau ist ein Engel mit zehn, eine Heilige mit fünfzehn, ein Teufel mit vierzig und eine Hexe mit achtzig.“