Heilige Lilien brauchen Quellwasser

Eher ungern sprechen wir in Europa derzeit über Ungarn, aber hier soll es nicht um die Politik des EU-Staates gehen, sondern um ungarische Wappen. Deren Motive können durchaus eine politische Komponente haben, sind aber ebenso religiös, kulturell oder geografisch geprägt.

Ungarische Wappen: Heilige Lilien brauchen Quellwasser

Ein bisschen Frieden

Ungarische Wappen unterscheiden sich von ihrem Aufbau und ihrer Tradition nicht von denen der meisten anderen europäischen Staaten. Zur Geschichte und rechtlichen Situation der Wappen möchte ich noch einmal die erste Folge dieser Blogserie ans Herz legen.

Fünf ungarische Wappen

Wappen von Beloiannisz

Ungarische Wappen: BeloianniszBeloiannisz ist gewissermaßen das Griechenland Ungarns. Die Gemeinde wurde von griechischen Flüchtlingen gegründet, die ihre Heimat als Folge des Bürgerkriegs Ende der 1940er Jahre verlassen hatten. Sie hieß zunächst Görögfalva (zu Deutsch „Griechendorf“), ehe sie nach dem griechischen Widerstandskämpfer Nikos Belogiannis in Beloiannisz umbenannt wurde. Der untere Teil des Wappens in den griechischen Nationalfarben Blau und Weiß mit der antiken Säule als Motiv erinnert an die griechischen Ursprünge der Gemeinde. Der obere Teil in den ungarischen Nationalfarben Rot, Weiß und Grün symbolisiert dagegen die Treue zu Ungarn. Das Pflanzenmotiv kann und soll hier als „Verwurzelung“ des ehemaligen Griechendorfs in den ungarischen Boden verstanden werden. Jetzt wird es vielleicht doch sehr politisch …

(Bild:Kaboldy, CC BY 4.0)

Wappen von Fehérvárcsurgó

Ungarische Wappen: FehérvárcsurgóDie leicht auszusprechende Gemeinde Fehérvárcsurgó, nach der Eltern in Deutschland unbedingt öfter ihre Kinder benennen sollten, sofern sie gerne Lehrer quälen, trägt gleich drei Wappen in einem. Der grüne Hügel, aus dem Wasser entspringt und auf dem eine Eiche wächst, bezieht sich auf das nahegelegene, bewaldete Bakonygebirge. Das gestreifte Wappenschild links neben der Eiche erinnert an die ungarische Eroberung des Gebietes, das rechte Wappenschild verweist auf die „Weiße Burg“, die ein Namensgeber des Ortes war. „Fehérvárcsurgó“ setzt sich zusammen aus „Fehérvár“ („Weiße Burg“) und „Csurgó“ („Quellwasser“). Beide Elemente sind im Wappen vertreten.

Wappen von Orosháza

Ungarische Wappen: OrosházaHier haben wir ein zupackendes Wappen mit einem Arm, der Weintrauben hält, und zwei Löwen, die fast eine Glocke tragen, aber womöglich auch gegen sie boxen wollen. An den Trauben und der Ähre ist unschwer zu erkennen, dass die Stadt Orosháza lange Zeit landwirtschaftlich geprägt war. Auch auf die Nähe zu den Flüssen Mureș und Körös verweist das Wappen. Die Glocke könnte an die evangelische Geschichte der Stadt mit ihrer 1777 errichteten Barockkirche erinnern. Der so genannte Panzerarm, der nicht immer zwingend etwas in der Hand halten muss, ist ein gängiges Symbol für Führungsstärke, mit oder ohne konkreten militärischen Hintergrund. Wer führt nicht gerne den Weg zum Wein an?

Wappen von Csorna

Ungarische Wappen: CsornaDieses Wappen ist eindeutig nicht kindersicher. Der gute Mann wird beim nächsten Schritt über sein langes Gewand stolpern und das Kind sitzt doch ziemlich locker auf seinem Arm. Außerdem ist der kleine Bub nicht ausreichend bekleidet und trägt eine schwere Krone auf dem Kopf. Zum Glück ist dies kein Familienfoto und wir haben wir es weder mit einem normalen Mann noch mit einem gewöhnlichen Kind zu tun. Bei dem Herren handelt es sich um den Heiligen Antonius von Padua, der traditionell mit Jesuskind auf dem Arm und Lilien in der Hand dargestellt wird, wie es auch im Wappen von Csorna der Fall ist, sowie mit einem Buch, worauf hier aber verzichtet wurde. Der kleine Christus als Attribut des Heiligen Antonius geht auf eine im 14. Jahrhundert dokumentierte Vision zurück, die Lilien stehen für Jungfräulichkeit. Csoarna ist übrigens die Geburtsstadt des ungarischen Staatspräsidenten János Áder. Hoppla, schon wieder Politik.

Wappen von Nagyvenyim

Ungarische Wappen: NagyvenyimDer Kranich mit dem Stein in einer seiner Klauen könnte das prägende Motiv des Wappens der Gemeinde Nagyvenyim sein, wäre da nicht dieses keltische Symbol, das wie eine Kreuzung aus landwirtschaftlicher Maschine und astrologischer Karte wirkt. Es ist eine Verbeugung vor der Geschichte des Ortes und seiner Umgebung, in der es einige archäologische Funde gab. Der Kranich mit dem Stein, welcher Wachsamkeit symbolisiert, ist dem alten Wappen des Klosters Zirc entnommen.

 

Vorschau

Wenn wir uns schon durch ein politisches Minenfeld bewegen, können wir auch gleich schwere Geschützte auffahren und uns in der nächsten Ausgabe mit Waffen auf Wappen beschäftigten. Die hauen ganz schön rein. Okay, die meisten stechen eher zu.

Übersicht

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